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Pardon für Domaingrabber?

Über die restriktive Anwendung des Domaingrabbings und 
die neue Domain-Entscheidung amtskalender.at II

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Am Anfang aller gerichtlichen Domain-Entscheidungen war das Domain-Grabbing. Erst danach kamen sukzessive all die anderen Probleme mit Marken, Namen und Kennzeichen. Zwischendurch war Domaingrabbing, auch Cybersquatting genannt, fast immer auch ein Thema, hat aber selten zum Erfolg, sprich zur gewünschten Unterlassungsverfügung geführt.

Vor kurzem ist wieder eine OGH-Entscheidung ergangen. Wenn ich mich nicht verzählt habe, war es die 38ste Entscheidung in Domainstreitigkeiten seit 1998, eine stolze Bilanz! Im Verfahren "amtskalender.at II" (amtskalender.at betraf das Provisorialverfahren, in dem der Revisionsrekurs als absolut unzulässig zurückgewiesen worden war) hatten die beiden ersten Instanzen, wie schon im Provisorialverfahren, den Unterlassungsanspruch bejaht. Geklagt hatte die Verlag Österreich GmbH als Herausgeberin des "Österreichischen Amtskalenders" eine GmbH, die u.a. die Domain "amtskalender.at" registriert, darunter aber keine Website betrieben hatte. Die Unterinstanzen werteten dies als Verstoß gegen die § 2 und § 9 UWG, der OGH verneinte dies. Bei der unbefugten Verwendung der besonderen Bezeichnung eines nicht unter § 80 UrhG fallenden Druckwerks erfolge die Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch den Gebrauch eines Zeichens als Domain-Name gleichermaßen nach dem Inhalt der unter einer bestimmten Domain in das Netz gestellten Website. Ist unter einer strittigen Domain keine Website und damit kein Inhalt abrufbar, könne es zu keiner unrichtigen Vorstellung bei den maßgeblichen Verkehrskreisen über eine allfällige Identität oder wirtschaftliche Verbundenheit zwischen den Streitteilen oder sonst zu einer Zuordnungsverwirrung kommen, sodass Ansprüche nach § 80 UrhG und § 9 Abs 1 UWG ausscheiden.

Der OGH setzt also seinen Weg fort, dass die bloße Registrierung eines Begriffes als Domain ohne Betrieb eines Dienstes keine Verwechslungsgefahr begründet, zumindest außerhalb des Markenrechtes - dort hat er sich noch nicht festgelegt. Das führt bei Begriffen, die eindeutig belegt sind, wie z.B. "Amtskalender", zu einer Pattstellung. Der Domaininhaber kann nichts mit der Domain anfangen, weil er sich sofort einer weiteren - dann berechtigten - Klage aussetzt, wenn er eine themenbezogene Website einrichtet; er kann sie dem Gegner aber auch nicht zum Kauf anbieten, weil er sich damit der Gefahr aussetzt, dass er damit rückwirkend als Domaingrabber eingestuft wird. Auf der anderen Seite kann sie der Berechtigte, der sie dringend benötigen würde, auch nicht verwenden. So gesehen könnte dieses Urteil ein Pyrrhussieg für die Beklagte gewesen sein.

Insgesamt hinterlässt diese Rechtsprechung aber ein schales Gefühl. Dass, wo nichts ist, nichts verwechselt werden kann, hat eine umwerfende Logik. Aber was ist mit dem Domaingrabbing? Ist es nicht ein typischer Fall, wenn jemand eine Domain wie "amtskalender.at" registriert? Dazu hat der OGH lapidar ausgeführt, dass mangels Behinderungsabsicht bei der Registrierung der Domain auch der Tatbestand des Domaingrabbings nicht verwirklicht sei. Aus dem festgestellten Sachverhalt lässt sich leider nichts Genaueres entnehmen. Offenbar hat die Beklagte niemals Geld für die Domain verlangt, sodass diese eine Variante des Domaingrabbings ausscheidet. Die Unterinstanzen haben sich mit § 1 UWG auch nicht näher auseinandergesetzt, weil sie der Klage aus anderen Gründen stattgaben. Es bliebe also tatsächlich nur die zweite Variante des Domaingrabbings, die Behinderung oder Blockade, und die lässt der OGH am Fehlen des Vorsatzes zum Zeitpunkt der Registrierung scheitern. Und da kommen wir zu einem interessanten Punkt:

Warum muss der Vorsatz bereits zum Registrierungszeitpunkt vorgelegen sein? Sollte der Grundsatz aus der UDRP (Uniform Dispute Resolution Policy) der WIPO (siehe dazu Kap. Domainrecht) bereits Spuren im österreichischen Recht hinterlassen haben? Und wieso lässt der OGH nicht einfach Schlechtgläubigkeit genügen, sondern verlangt Absicht? 

Die Fallgruppen nach § 1 UWG sind weitgehend Richterrecht. Es sollte daher bei der Schaffung neuer Tatbestände besonders sorgfältig vorgegangen werden. Dabei sind insbesondere die Besonderheiten des Internet zu berücksichtigen. Jede Domain ist ein nur einmal vorhandenes Gut, dessen Entzug dem Berechtigten die Möglichkeit der Verwendung nimmt und ihm damit schadet. Es ist daher nicht einzusehen, dass der Inhaber einer Domain, zu der er keinerlei Bezug hat, geschützt werden soll, auch wenn er zum Zeitpunkt der Registrierung nicht schlechtgläubig gewesen sein sollte, was gerade in diesem Fall schwer vorstellbar ist, aber oft an der Hürde der Beweislast scheitert. Zwar gibt es auch im österreichischen Recht den Grundsatz "dolus subsequiens non nocet", dieser bezieht sich allerdings mehr auf strafrechtliche Sachverhalte. Bei der Domainregistrierung geht es aber um eine Art zivilrechtliches Dauerschuldverhältnis, das jederzeit beendet werden kann. Es sollte daher möglich sein, vom Domaininhaber die Aufgabe der Registrierung zu verlangen, wenn er in Kenntnis gelangt, dass er jemanden, der im Unterschied zu ihm ein Recht an der Domain hätte, blockiert. Wenn der Inhaber einer Domain, die zu behalten er keinerlei Rechtsgrund besitzt, in Kenntnis gelangt, dass er jemanden, der einen solchen Rechtsgrund vorweisen kann, behindert, wird er spätestens mit der Verlängerung der Registrierung schlechtgläubig. Eine Unterlassungsklage sollte dann möglich sein.

Im übrigen hat die Wirklichkeit die Theorie bereits überholt: Die Domain amtskalender.at wird mittlerweile tatsächlich genutzt. Unter www.amtskalender.at betreibt die Firma Posimis Internet GmbH, eine Webdienstleisterin, ihren Internetauftritt bzw. verwendet die Domain zur Weiterleitung auf www.posimis.com. Warum wird sie das wohl machen, wenn nicht zur Ausbeutung des Rufes des Österreichischen Amtskalenders? "amtskalender.at III" gefällig?

31.3.2003

Franz Schmidbauer

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