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Rechtsgrundlagen Haftung

Einführung   -   EC-Richtlinie   -   EC-Gesetz  -  Rechtssituation

letzte Änderung 27.11.2006

Einführung

Dieses Kapitel verdankt seine Entstehung einem spektakulären Prozess. 1998 wurde der Verantwortliche des Internetserviceproviders Compuserve Deutschland Felix Bruno Somm vom Amtsgericht München wegen Beteiligung an der Verbreitung jugendgefährdender Schriften verurteilt; dies einfach deswegen, weil er es über seinen Dienst ermöglicht hat, dass über das Internet in Deutschland verbotene Pornographie zugänglich wird. Dieses Urteil wurde zwar später vom Landgericht München aufgehoben, die Debatte über die Verantwortlichkeit von Internetprovidern war aber eröffnet.

I4J-Absatztrenner

Die E-Commerce-Richtlinie

Wegen der angesprochenen Haftungsproblematik war die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern einer der wichtigsten Regelungsbereiche der E-Commerce-Richtlinie (EC-RL).

Vorher gab es in der Frage der Providerhaftung keine EU-weit einheitlichen Bestimmungen. Sowohl die nationalen Rechtsvorschriften als auch die Entscheidungen zur Providerhaftung waren äußerst unterschiedlich. Diese Rechtsunsicherheiten sollten durch die Richtlinie beseitigt werden.

Als Folge der Diskrepanzen in den nationalen Bestimmungen und der teilweise sehr weit gehenden Gehilfenhaftung wurde auch befürchtet, dass sich Diensteanbieter die Staaten als Niederlassungsort aussuchen könnten, in denen die mildesten Haftungsvorschriften bestehen. Im Fachjargon wird das auch "forum hopping" genannt. Dem soll durch die Regelungen der Art. 12 bis 15 der E-Commerce-Richtlinie (Haftungsbefreiungen) vorgebeugt werden. Insgesamt geht es natürlich auch darum, das Internet in der EU zu fördern um wirtschaftlich nicht gegenüber den USA ins Hintertreffen zu geraten.

Art. 12: Haftungsbefreiung für Durchleitung von Informationen

Gemäß Art. 12 soll ein Provider für die übermittelten Informationen nicht verantwortlich sein, dessen Dienst darin besteht, die von einem Nutzer eingegebenen Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln. Grundsätzliche Voraussetzung für die Haftungsbefreiung ist, dass die übermittelten Informationen vom Nutzer des Dienstes und nicht vom Provider eingegeben werden.

Außerdem ist für eine Haftungsbefreiung erforderlich, dass die Übermittlung nicht vom Provider selbst ausgeht, er also nicht selbst die Ausführung der Übermittlung beschlossen hat. Weiters darf der Diensteanbieter (so der offizielle Ausdruck der EU-Richtlinie) weder die Adressaten der Information auswählen noch die übermittelten Informationen auswählen oder verändern.

Art. 13 und 14: Haftungsbefreiung für Caching und Hosting

Ein Provider soll nicht haften, wenn er von einem Nutzer eingegebene Informationen speichert, vorausgesetzt, er hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und vorausgesetzt, er ist sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird. Diese Haftungsfreistellung greift nur, wenn der Provider, sobald er Kenntnis von rechtswidrigen Informationen erlangt, sofort tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
Als Hosting bezeichnet man Dienstleistungen eines Webspace-Providers, der seinen Kunden auf seinen Server-Rechnern Speicherplatz zur Verfügung stellt, um Websites, Programme oder Anwendungen im Internet zugänglich zu machen.
Caching ist die zeitweilige Speicherung von Information, die ein User angefordert hat, um den Abruf derselben Information bei der nächsten Anforderung zu beschleunigen. Diese Art der Speicherung wird von Access-Providern angewandt, um die Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit von digitalen Netzwerken zu erhöhen. Es handelt sich daher nicht um eine weiter Form der Nutzung von Informationen. Die beim Caching erzeugten Kopien der Information sind das Ergebnis eines technischen Prozesses.

Art. 15:

Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie ordnet an, dass die Mitgliedsstaaten Providern keine allgemeine Verpflichtung auferlegen dürfen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

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E-Commerce-Gesetz (ECG)

Die Richtlinie wurde in Österreich mit dem E-Commerce-Gesetz (ECG), das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, umgesetzt. Das ECG gilt grundsätzlich nur für kommerzielle Dienste (im weitesten Sinne). Die Definitionen finden sich in § 3. In weiterer Folge regelt das ECG die Pflichten der Diensteanbieter, wie etwa die Informationspflichten (Impressumpflicht).

Diensteanbieter sind etwa:

Registrare, Domaininhaber, Admin-C sind zwar für sich keine Diensteanbieter, sie können aber als Beteiligte für eine Haftung in Frage kommen.

Die §§ 13 bis 16 und 18  enthalten Haftungsbefreiungen für bestimmte Diensteanbieter basierend auf der Richtlinie; diese betreffen vor allem den Access- und den Hostprovider und den Suchmaschinenbetreiber. Zu den Hostprovidern (in weiterem Sinne) gehören aber auch Websitebetreiber und Blogger, insoweit sie Dritten die Speicherung von Informationen ermöglichen (Gästebücher, Diskussions- und Leserbriefforen), zu den Accessprovidern (in weiterem Sinne) kann auch der Tauschbörsenbetreiber oder der WLAN-Betreiber gehören.

Die Haftungsbefreiung des Linksetzers wurde von Österreich in § 17 zusätzlich geregelt.

Diese Haftungsfreistellungen gelten auch für unentgeltliche Dienste (§ 19), obwohl das ECG ansonsten von einem in der Regel auf Entgelt gerichteten Dienst ausgeht.

Diese Haftungsbefreiungen gelten aber nicht generell, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen, die von der Richtlinie übernommen wurden. Zudem nimmt § 19 ECG Unterlassungsansprüche scheinbar ausdrücklich von den Haftungsbefreiungen aus, was den Sinn dieser Regelungen, geht man nach ersten Entscheidungen, massiv einschränkt, da die Diensteanbieter überwiegend mit Unterlassungsansprüchen konfrontiert werden

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Die Rechtssituation in Österreich

Dass der Diensteanbieter für eigenes Fehlverhalten sowie für das seiner Mitarbeiter den Kopf hinhalten muss, ist ohnedies selbstverständlich. Hier geht es daher vor allem um die Haftung für das Handeln Dritter, die sogenannte Gehilfen- oder Störerhaftung, also die Frage, ob, unter welchen Umständen und wie weit der Diensteanbieter für ein rechtswidriges Verhalten Dritter einzustehen hat. Wesentlich dafür ist, dass der Dritte eine Handlung gesetzt hat, die zur Tat beigetragen hat. In diesen Fällen wird daher gelegentlich der § 12 StGB zur Beurteilung herangezogen, inwieweit eine bestimmte Handlung oder Unterlassung einen Dritten zum Beitragstäter macht.

Das E-Commerce-Gesetz regelt zwar in den §§ 13 ff die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern. Diese Regelungen ergänzen und präzisieren aber nur die allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Vorschriften, die es in Österreich schon vorher gab. Ihr Gegenstand sind nicht die Voraussetzungen für eine Haftung, sondern für eine Haftungsfreistellung; sie kommen daher nur zur Anwendung, wenn nach den allgemeinen Vorschriften überhaupt eine Haftung in Frage kommt. Sie wurden von den österreichischen Gerichten daher bisher kaum angewendet. Zudem ist bezüglich dieser Normen strittig, ob sie auch gegenüber Unterlassungsansprüchen gelten, weil § 19 Abs. 1 ECG (zurückgehend auf die Artikel 12 bis 14 EC-RL) dies scheinbar ausschließt.

Voraussetzung für eine Haftung als Beteiligter ist nach österreichischem Recht die bewusste Förderung der Rechtsverletzung durch den unmittelbaren Täter. Weiters muss die Rechtsverletzung für einen juristischen Laien erkennbar sein. Das ist nach der Ansicht des OGH insbesondere bei komplizierten Sachverhalten nach dem Wettbewerbsrecht nicht der Fall.

Noch nicht ganz klar ist, ob der Diensteanbieter seinen Dienst aktiv auf Rechtsverletzungen überwachen muss oder ob er darauf warten kann, dass er auf eine solche hingewiesen wird. § 18 Abs 1 ECG (basierend auf Art. 15 der ECRL) sagt zwar, dass die in den §§ 13 bis 17 genannte Diensteanbieter nicht verpflichtet sind, die von ihnen gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen, abgesehen davon, dass auch die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Unterlassungsansprüche fraglich ist, wurde von verschiedenen deutschen Gerichten aus dem Wort "allgemein" schon geschlossen, dass in besonderen Situationen doch eine Überwachungspflicht für den Diensteanbieter bestehe. Das könne etwa sein, wenn es bereits zu einer Rechtsverletzung gekommen ist (und daher mit Wiederholungen zur rechnen ist) oder bei besonders brisanten Themen (quasi als Schaffung einer Gefahrenlage). Zu diesem Fragenkomplex fehlen in Österreich und Deutschland bisher höchstgerichtliche Entscheidungen.

Im deutschen Recht haftet der, der einen ursächlichen Tatbeitrag zu einer unmittelbaren Rechtsverletzung durch einen Dritten leistet und die zur Vermeidung der Rechtsverletzung gebotenen und zumutbaren Maßnahmen unterlässt. Dies setzt voraus, dass der Gehilfe entweder von der Rechtsverletzung wusste oder zumindest eine bestehende Prüfungspflicht verletzt hat und daher jedenfalls von der Rechtsverletzung wissen hätte müssen. Die deutschen Voraussetzungen sind also strenger für den Diensteanbieter.

Bei den hier relevanten Fällen geht es weniger um Haftung für Schadenersatz als um Unterlassungsansprüche. Der Diensteanbieter soll dafür sorgen, dass ein bestimmtes rechtswidriges Verhalten nicht weiter andauert. Der Unterlassungsanspruch ist, anders als der Schadenersatzanspruch, der in der Regel ein Verschulden voraussetzt, ein verschuldensunabhängiger Anspruch. Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, eine solche wird aber von den Gerichten fast immer angenommen. Auf das Sprichwort "Einmal ist keinmal" sollte man hier nicht vertrauen. Diese Strenge kommt daher, dass die meisten Entscheidungen zu Unterlassungsansprüchen aus dem Bereich des Wettbewerbsrechtes stammen, wo es in der Regel um die Verfolgung massiver finanzieller Interessen geht. Im nicht kommerziellen Bereich des Internets stellt sich aber die Frage, ob diese Strenge angemessen ist. Eine etwas behutsamere Beurteilung der Wiederholungsgefahr würde das Risiko der Diensteanbieter mindern und auch das Unwesen kommerzieller Abmahner verringern.

Die Gründe, warum überhaupt der Beitragstäter geklagt wird und nicht der unmittelbare Täter, sind vielfältig. Das ist für die Kläger nicht nur in jenen Fällen von Interesse, wo die eigentlichen Täter außerhalb der eigenen Rechtssphäre, etwa in einem "off justice" Inselreich, sitzen, sondern auch in jenen, wo von diesen voraussichtlich kein Kostenersatz zu bekommen ist. Vor allem geht es aber auch darum, schnell zum Ziel zu kommen, das primär in der Beseitigung des betreffenden Inhaltes besteht, und nicht langwierige Prozesse führen zu müssen, um den Inhalt zu beseitigen. Wenn nämlich den Diensteanbietern eine Haftung droht, müssen sie von sich aus tätig werden, um diese Haftung abzuwenden.

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