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Don't catch all

Eine bestimmte Konfiguration von Name- und Webservern kann Domaininhabern rechtliche Troubles bringen

aktuell - Übersicht

1. Die catch-all Funktion

Nameserver sind für die Funktion des Internets essentiell. Sie sind dafür verantwortlich, dass Websites im Worldwide Web (WWW) gefunden werden können. Wird etwa die Domain maier.at aufgerufen, geht die Suchanfrage an einen .at-Nameserver. Dort sind alle .at-Domains mit den Daten (insbesondere den IP-Nummern) der Webserver auf denen sie erreichbar sind, gelistet. Der Nameserver (oder ein weiterer von diesem "beigezogener") übergibt die entsprechende Daten und schickt sie an den Browser, damit dieser die Homepage der Firma Maier aufrufen kann. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von "Auflösung" der Domain.

Wer Inhaber einer Domain ist, ist auch verfügungsberechtigt über alle Domains, die unterhalb der Hierarchie seiner Domain eingerichtet werden können. Er kann beliebig viele Subdomains (ich verwende hier bewusst nicht den Begriff Third Level Domain, weil auch weitere Unterstufen denkbar sind) einrichten. Die Firma Maier kann also als Inhaberin der Domain maier.at beliebige Vornamen als Subdomain verwenden (franz.maier.at) oder Organisationseinheiten (vertrieb.maier.at) oder auch beliebige Buchstaben oder Ziffernkombinationen (5020.maier.at, wobei allerdings, wie bei der Domain auch, nicht alle Zeichen zur Verfügung stehen). Bekannt ist dies etwa von großen Unternehmen wie dem ORF (news.orf.at, sport.orf.at, futurezone.orf.at) oder Hewlett-Packard (welcome.hp.com, shopping.hp.com, jobs.hp.com).

Diese Subdomains können mit der konkreten Bezeichnung in das DNS-Panel der Nameserver eingetragen werden, es kann aber dort auch eine Wildcard (Platzhalter, wie er auch bei der Datenbanksuche verwendet wird, meist ein Sternchen) gesetzt werden, dann sind alle möglichen Subdomains "freigeschaltet" und werden "aufgelöst" (*.maier.at). Wird dann noch der Webserver so eingerichtet, dass sämtliche Subdomains (wiederum mit der Wildcard) auf die Hauptdomain weitergeleitet werden, so fungiert die Hauptdomain als Sammelbecken für sämtliche Subdomains. Bezogen auf unser Beispiel heißt das, dass jemand, der im Browser eine beliebige Buchstaben und/oder Ziffernkombination mit einem Punkt vor "maier.at" eingibt, auf der Website der Firma Maier landet. Das versteht man unter catch-all Funktion.

Zur catch-all Funktion gehört also zweierlei: Die Aktivierung im Nameserver und die Einrichtung einer Weiterleitung. Beides geschieht mittels einer Wildcard. Wird die Funktion nur im Nameserver aktiviert und fehlt eine Weiterleitung, erscheint entweder eine Fehlerseite oder die Eingangsseite des Website-Verwaltungsprogrammes. Das ist rechtlich noch unproblematisch, weil Rechte Dritter dadurch nicht beeinträchtigt werden können. Probleme können erst entstehen, wenn der Aufruf einer beliebigen Subdomain zu einer bestimmten Website mit bestimmten Inhalten führt. Das kann allerdings auch bereits beim Domain-Parking (Bereithalten zur Verwertung) passieren, wenn auf der Parkingseite Werbung geschaltet ist, was häufig der Fall ist.

2. Die bisherigen Gerichtsfälle

a) whirlpools.at - OGH, 4 Ob 131/05a

Die Klägerin Firma Armstark ist Inhaberin der Wortmarke "Armstark" für Whirlpools und Inhaberin der Domains armstarkwhirlpools und armstark-whirlpools unter den Top Level Domains .at und .com. Die Beklagte ist Inhaberin der Domain whirlpools.at und im gleichen Gewerbe tätig. Sie hatte die Domain so konfiguriert, dass alle Subdomains auf ihre Website verwiesen. Dadurch konnte es passieren, dass ein Surfer, der sich bei der Eingabe der Domain der Klägerin irrte oder vertippte (Punkt statt Bindestrich), auf die Website der Beklagten gelangte. Die Klägerin stützte ihr Unterlassungsbegehren auf Marken-, Wettbewerbs- und Firmenrecht. Das Begehren lautete auf Unterlassung der Verwendung des Zeichens "armstark", insbesondere als Third Level Domain zu "whirlpools.at", zur Kennzeichnung der eigenen Website.

Nachdem die Unterinstanzen das Sicherungsbegehren abgewiesen hatten, erließ der Oberste Gerichtshof die einstweilige Verfügung. Er verneinte zunächst eine Marken- oder Kennzeichenbenützung und einen Namensgebrauch, da diese nicht in einer nach außen erkennbaren Weise erfolgten und - anders als etwa bei der Verwendung als Metatag - nicht der konkrete Begriff verwendet werde, sondern dass alle beliebigen Begriffe aufgelöst werden. Er unterscheidet damit offenbar zwischen der expliziten Verwendung als Third-Level Domain und der impliziten Verwendung über die catch-all Funktion. Diese Unterscheidung ist aber nicht überzeugend, weil jemand, der die catch-all Funktion verwendet, mit bewusstem Vorsatz die Verwendung aller möglichen Kennzeichen in Kauf nimmt; die Wildcard steht auch für das Wort "armstark". Damit verwendet er implizit auch dieses Wort.

Der OGH bewertet das Verwenden der catch-all Funktion damit zwar nicht als Kennzeichenverletzung, aber als wettbewerbswidrig im Sinne eines gezielten Abfangens von Kunden und damit als Behinderungswettbewerb nach § 1 UWG. Der Beklagte erreiche mit der catch-all Funktion das gleiche Ergebnis als wenn er "armstark" als Third Level Domain verwende. Der Beklagte hafte auch dann, wenn er gar nicht gewusst habe, dass sein Provider die catch-all Funktion eingerichtet hat, weil er für das Verhalten des Providers einzustehen habe.

b) suess.de - OLG Nürnberg, 4 U 1790/05

Die Beklagten hatten die Domain suess.de registriert und auf ihr Erotikportal umgeleitet. Dabei hatten sie auch die catch-all Funktion aktiviert. Der Kläger R. A. Süß klagte auf Unterlassung der Verwendung der Domain und der catch-all Funktion sowie auf Schadenersatz. Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und wies die Geldforderung ab.

Das OLG wies, nachdem das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der catch-all Funktion von den Beklagten durch Abgabe einer Unterlassungserklärung anerkannt und für erledigt erklärt worden war, auch das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Domain ab. Der Kläger muss es nicht hinnehmen, dass ein Internetsurfer bei Eingabe seines Namens in der Kombination "Vorname.Nachname" auf ein Erotikportal geleitet wird und damit der Kläger mit diesem in Zusammenhang gebracht wird, weil dadurch schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden. Es kommt nicht darauf an, ob diese Schreibweise bei der Eingabe von Internetadressen unüblich ist. Es besteht aber kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Domain "suess", weil es sich dabei um ein Adjektiv handle, das zum allgemeinen Sprachgebrauch gehöre. Eine Namensanmaßung komme daher nicht in Frage. Erst im Zusammenhang mit einem Vornamen oder sonstigen Hinweis werde der Name unterscheidungskräftig.

3. Die rechtliche Problematik der catch-all Funktion

Für die Verwendung von Subdomains gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für die Verwendung von Domains. Wie bei der Domain können auch hier Markenrecht, Wettbewerbsrecht oder Namensrecht die Verwendung bestimmter Namen oder Begriffe untersagen (siehe auch Burgstaller, Sub-Level Domains und catch-all Funktion - zulässig? ecolex 2005, 454). Da Unterlassungsansprüche kein Verschulden voraussetzen, spielt es keine Rolle, ob der Domaininhaber eine konkrete Subdomain bewusst freigeschaltet hat oder ob er bei Aktivierung der catch-all Funktion gar nicht an mögliche Konflikte gedacht hat. Allerdings behandelt der OGH diese beiden Fälle nicht gleich. Während die gezielte Verwendung eines fremden Kennzeichens eine unzulässige Markenbenutzung sei, führe die Auflösung aller denkbaren Zeichenfolgen nicht zu einer Benutzungshandlung im Sinn des § 10a MSchG oder des § 9 UWG und auch nicht zu einem unbefugten Namensgebrauch nach § 43 ABGB. Diese Haltung erscheint nicht konsequent. Denn wer bewusst alle möglichen Begriffe und Namen auf seine Seite leitet, nimmt in Kauf, dass sich darunter auch alle denkmöglichen, geschützten Begriffe befinden. Er "benutzt" auch diese, weil er mit der Wildcard auch diese abdeckt.

Dass die catch-all Funktion nicht zu einem unzulässigen Marken-, Kennzeichen- oder Namensgebrauch führt, bedeutet aber nicht ihre rechtliche Unbedenklichkeit. Beide Gerichte haben sie nämlich letztlich doch untersagt.

Gegenüber dem geschützten Kennzeichen wurde das damit verbundene Abfangen von Kunden als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG erachtet. Dies setzt voraus, dass der Kennzeicheninhaber in derselben Branche (Waren- oder Dienstleistungsklasse) arbeitet wie der Domaininhaber. Bei der Unzahl der möglichen, von der catch-all Funktion erfassten, geschützten Kennzeichen muss man aber davon ausgehen, dass immer auch Kennzeichen von Konkurrenten "eingefangen" werden. So kann es leicht passieren, dass man eine Abmahnung gleich mit einfängt.

Dass sich unter den "gecatchten" Begriffen auch sämtliche Namen befinden, ist hingegen in der Regel weniger gefährlich. Die bloße Namensverwendung ist unbedenklich, erst bestimmte negative Assoziationen mit dem Inhalt der Website können berechtigte Interessen des Namensträgers beeinträchtigen. Das führt aber nicht zur Unbedenklichkeit der catch-all Funktion bei Namensdomains, weil diese genauso von möglichen Marken- und Kennzeichenrechten betroffen sind.

Folgende Kombinationen sind beispielsweise problematisch für:

Vereinfacht ausgedrückt kann es bei allen Begriffen zu Problemen kommen, die Konkurrenten zugeordnet werden können. Die Kombination hermann.maier.at könnte ein Problem sein, wenn die Verknüpfung mit der Website rufschädigenden Charakter hat*), möglicherweise aber auch - falls es eine Marke gibt - bei einer Verknüpfung mit der Wintersportbranche.

4. Conclusio

Letztlich führt die catch-all Funktion zu einem völlig unübersehbaren Gefahrenpotential und sollte daher tunlichst unterlassen werden. Problematisch ist aber noch nicht die Freischaltung der catch-all Funktion im Nameserver, sondern erst die Weiterleitung aller damit erfassten Zeichenkombinationen auf eine bestimmte Domain, unter der tatsächlich Inhalte (und sei es auch nur Werbung) im World Wide Web angeboten werden. Werden konkrete Subdomains verwendet, sind die allgemeinen Domainregeln zu beachten. Die Verantwortung trifft den Domaininhaber. Sollte jedoch der Hostprovider die catch-all Funktion inklusive Weiterleitung auf die Domain standardmäßig anbieten, ohne den Domaininhaber auf die damit verbundenen Gefahren aufzuklären, kann ihn eine Haftung wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten treffen.

Wer sich als Domaininhaber nicht sicher ist, wie seine Domain eingestellt ist, sollte die Probe auf's Example machen: Einfach einen beliebigen Begriff mit einem Punkt seiner Domain voranstellen und in das Adressfeld des Browsers eingeben. Gelangt er damit auf eine Website, sollte er sich weitere Gedanken im Sinne der obigen Ausführungen machen.

*) Nach der Entscheidung 17 Ob 44/08g vom 24.3.2009 - justizwache.at - ist die Verwendung eines fremden Namens als Domain ohne die Zustimmung des Inhabers immer unzulässig; somit wird die Problematik der Sub-Domains bei Namensdomains noch verschärft.

5.3.2007 (Ergänzungen 8.3.2007 und 3.2.2010)

Franz Schmidbauer

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