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Der Link als Tatwerkzeug

Der Netzaktivist Alvar Freude wurde freigesprochen, der Hyperlink nicht

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Alvar Freude, der Netzaktivist und Begründer von odem.org (Online-Demonstrations-Plattform für Menschen- und Bürgerrechte im digitalen Zeitalter) war über Anklage der Staatsanwaltschaft in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilt und in zweiter Instanz freigesprochen worden. Das OLG Stuttgart bestätigte nun über Revision der Staatsanwaltschaft den Freispruch, blieb aber bei der kritischen Einschätzung von bedenklichen Links an sich. Freude hatte sich kritisch mit der Internetzensur und den Sperrverfügungen der Düsseldorfer Landesregierung auseinandergesetzt und unter anderem zur Illustration seiner Arbeit Links auf gesperrte Websites gesetzt und diese damit indirekt zugänglich gemacht. Es war aber allgemein klar, dass er sich nicht mit diesen Inhalten solidarisiert. Die Staatsanwaltschaft ging trotzdem vom Tatbestand der Verbreitung der verbotenen Inhalte aus.

Irgendwie scheinen die Juristen ein gestörtes Verhältnis zum Hyperlink zu haben, so als sei diese verhexte Technik (zur Funktion verweise ich auf meine Tour de Link) etwas per se Schlechtes. Dabei ist der Hyperlink nichts anderes als ein Wort, ein Werkzeug, ein Messer. Er ist ein Instrument, das vieles bewirken und zu vielem verwendet werden kann. Er kann auch als Waffe missbraucht werden. So wie man mit Worten eine Straftat begehen kann, ja sogar mit Gesten (z.B. Stinkefinger), kann man auch durch Setzen eines Hyperlinks Böses bewirken. Allerdings setzt dies immer - wir befinden uns schließlich im Bereich des Strafrechtes - vorsätzliches Handeln voraus. Gleich, ob das Delikt unmittelbar oder durch Beihilfe zur Tat eines anderen begangen wird: Ein Beitrag, der nicht auf Verwirklichung eines Tatbestandes gerichtet ist, ist nicht strafbar. Schließlich gilt im Strafverfahren auch noch die Unschuldsvermutung.

Im Fall Freude dürfte man mit bedingtem Vorsatz operiert haben. Er hat von den strafbaren Inhalten der Seiten gewusst und hat es somit billigend in Kauf genommen, dass er diese Seiten für Dritte zugänglich macht. Somit hat er an der Verbreitung der Inhalte mitgewirkt. Verbreitet wird der Inhalt aber durch eine Webseite. Der Link ist nichts anderes als ein automatisierter Hinweis auf eine Webseite. Kein Jurist ist noch auf die Idee gekommen, eine Zeitung zu klagen, die über ein Buch schreibt, das rechtswidrige Inhalte enthält, obwohl auch ein derartiger Artikel seinen Leser den Weg zu diesen Inhalten weist und damit indirekt an der Verbreitung mitwirkt. Noch schmaler wird der Grat der Abgrenzung bei einem Online-Artikel. Hätte der Heise-Verlag nur über AnyDVD berichtet (zum Fall Heise-Link), wäre alles in Ordnung gewesen. Weil er aber zugleich in internetüblicher Weise einen Link darauf gesetzt hat, soll er Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung begangen haben? Ein unverbildeter Internetnutzer muss die schlimmsten Befürchtungen bei solchen Gedankengängen hegen. Jeder, zumindest aber der verständige, mündige Internetuser weiß, dass er einen Begriff nur bei Google eingeben muss und schon ist er am Ziel. Worin liegt da die besondere Förderungshandlung des Linksetzers? Oder: Was hat der Link, was der bloße URL nicht hat? Kann es wirklich sein, dass eine technische Erleichterung über Schuld- oder Unschuld entscheidet?

Irgendwie hat man den Eindruck, dass man das Recht im Internet neu erfinden will und alles noch viel strenger regeln will. Zu diesem Bild passen die polizeistaatlichen Methoden der Sperrverfügungen, die man sonst nur in China findet, genauso wie die vorbeugende Beschnüffelung aller Bürger durch die Vorratsdatenspeicherung, bei der sich Deutschland schon vorweg als Musterschüler geriert. Die deutsche Gründlichkeit schlägt offenbar auch im Internet zu. Aber immerhin ist Alvar Freude letztlich nicht verurteilt worden, wenn auch daraus für den kleinen Webmaster nichts gewonnen ist. Für das Linksetzen bedeutet dies: Wer einen Link auf eine Seite mit strafrechtlich relevantem Inhalt setzt, braucht eine gute Ausrede. Oder er muss Künstler sein, um sich auf die Freiheit der Kunst berufen zu können. Ansonsten braucht er einen guten Anwalt.

25.4.2006

Franz Schmidbauer

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