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Guter Spam - böser Spam

Ein Abgrenzungsproblem mit Folgen

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Ich will hier nicht über die allgemeine Spamflut lamentieren. Das ist für mich primär ein technisches und wirtschaftliches Thema. Gegen die weltweite Spamlawine werden juristische Mittel, solange die E-Mail-Technik so ist, wie sie ist, immer versagen. Alles andere wäre juristische Utopie.

Tatsächlich besteht aber ein enormes Interesse der Wirtschaft an einer seriösen Werbetätigkeit auch per E-Mail. Es stellt sich daher die Frage, ob der krasse Missbrauch, der mit dem Medium E-Mail von einigen ausländischen Anbietern getrieben wird, es rechtfertigt, dass man der heimischen Wirtschaft die Nutzung dieser genialen Einrichtung im Bereich der Werbung komplett verbietet. Man muss sich bewusst sein, dass durch das in Zukunft wieder geltende gänzliche Werbungsverbot die seriösen Unternehmen benachteiligt werden, während sich die bisherigen Spam-Schleudern nach dem 1.3.2006 genauso wenig an das Verbot halten werden wie bisher. Wie üblich werden durch derartige Generalverbote die Falschen getroffen. Ein Ausweg ist aber nicht in Sicht. Das Problem liegt an der mangelnden Abgrenzungsmöglichkeit zwischen "guter Werbung" (= Direct Marketing) und "böser Werbung" (= Spam).

Was ist Werbung?

Lindern könnte man diese Problematik dadurch, dass man den Begriff "Werbung" eng auslegt. So könnte man das Verbot auf die Massenwerbung nach dem Gießkannenprinzip beschränken und das gezielte Ansprechen von Unternehmen zum Zwecke der Vertragsanbahnung zulassen, also nicht als Werbung im engeren Sinn werten. Zumindest ein Teil der Fälle, die schon nach der alten Regelung des § 101 TKG für Unmut gesorgt haben, könnte so gelöst werden. So etwa, wenn ein Universitätsprofessor Einladungen an Rechtsanwälte zu einem Mietrechtsseminar verschickt oder wenn ein Webdesigner ungefragt ein Angebot zur Neugestaltung der Website eines Unternehmens erstellt. Derartige Vorgänge liegen tatsächlich im Grenzbereich dessen, was üblicherweise als Werbung angesehen wird. Allerdings legt der OGH den Werbebegriff sehr weit aus und eine Änderung der Judikatur ist nicht in Sicht.

Haut den Lukas!

Wer in Österreich beim Versenden unzulässiger Werbe-E-Mails ertappt wird, muss mit nicht unbeträchtlichen Kosten rechnen. Abgesehen von möglichen Verwaltungsstrafen drohen vor allem zivilrechtliche Unterlassungsklagen oder zumindest Aufforderungsschreiben von Rechtsanwälten mit entsprechenden Kostennoten. Erfolgt die Abmahnung durch ein Konkurrenzunternehmen, werden den Schreiben die für Wettbewerbsstreitigkeiten üblichen, hohen Streitwerte zugrundegelegt. Aber selbst wenn sich nur ein Empfänger zur Wehr setzt, der in keinem Wettbewerbsverhältnis steht, wird der Streitwert in der Regel mit mehreren Tausend Euro angesetzt; dies obwohl der Schaden durch eine einzelne Mail minimal und kaum messbar ist. Hier wird immer wieder mit der Spamlawine argumentiert, die es zu verhindern gälte, wodurch die Unterlassungsklage in die Nähe des Strafschadenersatzes nach amerikanischen Recht rückt. Für die alltägliche Spamplage wird der eine bestraft, der erwischt wird. Das ist menschlich, aber nicht unbedingt gerecht!

Wie groß ist das Interesse an der Unterlassung?

Tatsächlich ist der Aufwand, der mit einer unerwünschten Werbe-E-Mail verbunden ist, minimal und wirtschaftlich kaum messbar. Während ein Telefonanruf immerhin noch ein gewisses Störpotential aufweist, lässt sich eine einzelne E-Mail, mit einem Mausklick in den virtuellen Papierkorb befördern. Wenn man zukünftige Belästigungen verhindern will und die Werbe-E-Mail den sonstigen gesetzlichen Anforderungen entspricht, kann man ohnedies die Möglichkeit der Ablehnung weiterer Mails ergreifen. Nun wird das zwar grundsätzlich von Fachleuten nicht empfohlen, weil es unter Umständen zu noch mehr Werbung führt, das gilt aber nur bei Spammern, die aus dem Ausland agieren und daher nicht greifbar sind. Ein österreichisches Unternehmen, das vorschriftsgemäß sein Impressum auf jede Mail setzt, wird sich hüten, ein Ablehnungsschreiben zu ignorieren.

Conclusio

Das Spam-Problem hat leider dazu geführt, dass allgemein übersehen wird, dass Werbung ein wichtiger Motor der Wirtschaft und damit volkswirtschaftlich grundsätzlich positiv zu beurteilen ist. Ich bin auch überzeugt davon, dass das allgemeine Verbot von Werbe-E-Mails sofort vom Tisch wäre, wenn es gelänge die Spam-Lawine aus dem (meist außereuropäischen) Ausland zu stoppen. Das Problem mit der mangelnden Abgrenzung zur seriösen E-Mail-Werbung lässt sich nur lösen, wenn alle Beteiligten die Relationen berücksichtigen. Der Empfänger soll nicht wegen jeder harmlosen Mail nach dem Rechtsanwalt rufen, der Rechtsanwalt einen Streitwert wählen, der der Unbill einer einzelnen Mail angemessen ist, und das Gericht sollte sehr streng prüfen, ob eine Klage im Einzelfall wirklich erforderlich war (man muss ja nicht immer Wiederholungsgefahr annehmen, wenn der Absender ohnedies sofort reagiert hat). Es steht auch Justitia nicht gut an, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.

Siehe auch:

17.1.2006 (Ergänzung 6.2.2006)

Franz Schmidbauer

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