Entscheidungen Arbeitsrecht

Bearbeitung Franz Schmidbauer

Internet4jurists

Spaß-E-Mails am Arbeitsplatz: OGH, Beschluss vom 23.6.2004, 9 ObA 75/04a

AngG § 27

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Die Klägerin leitete entgegen einem generellen Verbot und einer Ermahnung durch einen Vorgesetzten gelegentlich auf ihrem Arbeitsplatz einlangende Spaß-E-Mails an Arbeitskollegen weiter. Der Arbeitgeber reagierte mit einer fristlosen Entlassung.

Das Erstgericht gab der Klage auf Kündigungsentschädigung statt, das Berufungsgericht bestätigte.

Der OGH gab der außerordentlichen Revision keine Folge. Ein Fehlverhalten, das nur darin liegt, dass ein Arbeitnehmer, der ansonsten 20 Jahre unbeanstandet geblieben ist, entgegen einem generellen Verbot und einer Ermahnung durch einen Vorgesetzten gelegentlich auf seinem Arbeitsplatz einlangende Spaß-E-Mails ein- bis zweimal pro Woche an Arbeitskollegen weitergeleitet hat, stellt keinen Entlassungsgrund dar. Dieser Sachverhalt liegt bezüglich der Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers nicht anders als gelegentliche kurze Telefonate privaten Inhalts mit Arbeitskollegen. Dieser Sachverhalt kann mit gelegentlichem Surfen im Internet bzw. privater PC-Benutzung bzw. Internetnutzung am Arbeitsplatz nicht gleichgesetzt werden (9 ObA 192/98w).

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-------------------    Entscheidung   --------------------
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits-und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Spenling und Univ.Doz.Dr.Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Univ.Prof.Dipl.Ing.Hans Lechner und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ingrid O, Angestellte, vertreten durch Dr.Werner Steinwender und andere, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** reg GenmbH, vertreten durch Dr.Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR24.456,90 brutto sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits-und Sozialrechtssachen vom 30.März2004, GZ12Ra10/04h-21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des §502Abs1ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

1.Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht bereits deshalb vor, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage des privaten E-Mail-Verkehrs während der Dienstzeit nicht vorliegt. Der vom Berufungsgericht beurteilte Sachverhalt liegt im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Interessen des Dienstgebers nicht anders als gelegentliche (kurze) Telefonate privaten Inhalts mit Arbeitskollegen. Hingegen kann er mit dem vom Revisionswerber angesprochenen "Surfen im Internet" bzw privater PC-bzw Internetnutzung am Arbeitsplatz nicht gleichgesetzt werden.

2.Der Revisionswerber gesteht zu, dass eine Entlassung (hier wegen behaupteter Vertrauensunwürdigkeit gemäß §27 Z1 AngG) voraussetzt, dass die Interessen des Dienstgebers durch das Verhalten des Dienstnehmers so schwer verletzt wurden, dass Ersterem eine weitere Zusammenarbeit-auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist-nicht mehr zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029095 ua; idS zum vorliegenden Problem auch K.Posch, Die e-mail-Nutzung aus arbeitsrechtlicher Sicht, in IT-LAW.AT, e-mail-elektronische Post im Recht [2003], 86), wobei ein objektiver Maßstab, nämlich die gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise, anzulegen ist (RIS-Justiz RS0029323, RS0029733). Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit begründet, kommt es stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (vgl nur 9ObA230/02t), sodass sich erhebliche Rechtsfragen iSd §502 Abs1 ZPO regelmäßig nur dann stellen, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Eine derartige Fehlbeurteilung vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

3.Das Fehlverhalten der Klägerin lag darin, entgegen einem generellen Verbot und einer Ermahnung durch einen Vorgesetzten gelegentlich auf ihrem Arbeitsplatz einlangende "Spaß-E-Mails" an Arbeitskollegen weitergeleitet zu haben; nach den Feststellungen der Vorinstanzen kam eine Weiterleitung derartiger E-Mails an Kollegen bzw an den privaten Internetzugang der Klägerin ein-bis zweimal pro Woche vor. Soweit das Berufungsgericht unter diesen Umständen unter Berücksichtigung der sonst unbeanstandeten 20-jährigen Arbeitsleistung der Klägerin die Auffassung vertreten hat, das Verhalten der Klägerin stelle-ungeachtet einer vorangegangenen (informellen) Ermahnung-keinen Entlassungsgrund dar, so kann dies nicht als bedenkliche Fehlbeurteilung angesehen werden.

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