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bernhart.at

OGH, Beschluss vom 30.1.2001, 4 Ob 5/01 s

UWG § 1

*****   Zusammenfassung   *****

Die Firma Bernhart klagt die Firma A***, die die Domain bernhart.at registriert hat, aber in einer anderen Branche tätig ist.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht bestätigte.

Der OGH gibt dem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Folge. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es nicht darauf an, ob zwischen der Firma eines Unternehmens und dem vom Unternehmen verwendeten Zeichen ein gedanklicher Zusammenhang besteht. Branchenverschiedenheit schließt idR Verwechslungsgefahr bei Internet Domains aus. Das österreichische Recht kennt keine Verwirkung von Rechten. Die Nichtbenützung einer angemeldeten Domain über einen Zeitraum von vier Monaten führt nicht zu deren Verlust. Domain-Grabbing als Verstoß gegen § 1 UWG setzt voraus, dass der Verletzer bei Reservierung und Nutzung der Domain in Behinderungsabsicht gehandelt hat.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Warenhandelsgesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christian Butschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Peter Hoffmann-Ostenhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert im Provisorialverfahren 400.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 21. November 2000, GZ 3 R 102/00t-11, den

Beschluss

gefasst:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

1. Das Rekursgericht hat sich im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge unter anderem auf das Argument gestützt, dass bei auf (Nach-)Namen lautenden e-mail-Adressen nur dann Sub-Adressen (wie etwa hier: verschiedene Vornamen) vergeben werden könnten, wenn eine eigene Domain lautend auf den Nachnamen erwirkt werde; es erscheine gerade bei einem Mitarbeiter eines Servicedienstes naheliegend, vom Angebot einer eigenen Domain Gebrauch zu machen. Bei diesen Ausführungen handelt es sich - entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin - nicht um eine Überschreitung des Akteninhalts, sondern um Erfahrungssätze der allgemeinen Lebenserfahrung, die als allgemeinkundige Tatsachen iSd § 269 ZPO keines Beweises bedürfen und auch ohne Parteienbehauptung von Amts wegen verwertet werden können (SSV-NF 6/87 uva). Dass diese Erfahrungssätze inhaltlich unrichtig wären, behauptet die Klägerin nicht.

2. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Rekursverfahren, insbesondere im Provisorialverfahren, nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (stRsp ua ÖBl 1989, 167 - FAMILIA; MR 1994, 66 – Belgische Verwertungsgesellschaft; JBl 1996, 728; Kodek in Angst, EO § 402 Rz 18). Unzutreffend ist daher die Auffassung der Klägerin, der Oberste Gerichtshof könne im Rahmen eines Revisionsrekurses die Sachverhaltsgrundlage auf Grund der vorliegenden Bescheinigungsmittel dann selbständig abändern, wenn ausschließlich Urkundenbeweise aufgenommen worden sind: Im Sicherungsverfahren ist die Anfechtung der Beweiswürdigung im Revisionsrekursverfahren - anders als im kartellgerichtlichen Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof (SZ 70/272 = ÖBl 1998, 261 - Anzeigensperre; ÖBl 1998, 309 - Handy-Umtauschaktion) - jedenfalls unzulässig (MR 1994, 66; JBl 1996, 728) und der Oberste Gerichtshof an den von den Tatsacheninstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt gebunden (SZ 51/21; SZ 69/252; JBl 1996, 728; 4 Ob 181/99t uva). Auch die von der Klägerin zur Stützung ihres gegenteiligen Standpunkts angeführten (älteren) Entscheidungen halten sich im Rahmen dieser Rechtsprechung, weil sie offensichtlich Fälle betrafen, in denen es jeweils nicht um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Inhalts von Urkunden ging (diese hat der Oberste Gerichtshof nämlich nicht zu überprüfen: ÖBl 1989, 167 - FAMILIA und JBl 1996, 728 im Fall eidesstättiger Erklärungen; so auch 1 Ob 65/00s zur Unbedenklichkeit einer Urkunde), sondern um die Auslegung von in ihrem Wortlaut unstrittigen Urkunden (was dem Gebiet der rechtlichen Beurteilung angehört: SZ 58/199; EFSlg 57.838 uva).

3. Das österreichische Recht kennt eine Verwirkung von Rechten nicht. Die bloße Nichtausübung durch längere Zeit führt daher grundsätzlich nicht zum Rechtsverlust (stRsp ua SZ 59/34; ImmZ 1995, 150 = WoBl 1996, 144; weitere Nachweise bei Rummel in Rummel ABGB3 § 863 Rz 24). Auch die Nichtbenützung einer Domain über mehrere Monate durch den bei der Anmeldestelle registrierten Nutzer (der die vorübergehende Verwendung seiner Domain einem Dritten gestattet hat), hat deshalb noch nicht dessen Rechtsverlust zur Folge.

4. Ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Aspekt des Domain-Grabbings setzt nach der Rsp des erkennenden Senats voraus, dass der Verletzer bei Reservierung und Nutzung der Domain in Behinderungsabsicht gehandelt hat (ÖBl 1998, 243 - jusline; ÖBl 2000, 72 - format; MR 2000, 322 - gewinn.at); davon kann nach den Feststellungen des Rekursgerichts keine Rede sein. Auf Seite der Beklagten liegen sachlich gerechtfertigte Gründe für den Erwerb gerade der strittigen Domain vor; eine Absicht der Beklagten, die Klägerin von der Benutzung dieser Kennzeichnung im Internet auszuschließen oder an ihrem Ruf zu schmarotzen, ist hingegen nicht bescheinigt.

5. Das Rekursgericht hat - Grundsätzen der Entscheidung MR 2000, 322 - gewinn.at folgend - die Verwechslungsgefahr wegen Branchenverschiedenheit verneint. Die Rechtsmittelwerberin hält dem als Besonderheit des vorliegenden Falls entgegen, dass hier zwischen der strittigen Domain und der Firma der Beklagten überhaupt kein Zusammenhang ersichtlich sei. Sie zeigt damit aber noch keine besonderen Umstände iS der zitierten Rsp auf, aus denen ein nicht unerheblicher Teil der Internet-Nutzer den (unzutreffenden) Schluss auf eine geschäftliche oder organisatorische Verknüpfung der Streitteile ziehen könnte; bei Prüfung der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn kommt es nämlich nicht darauf an, ob zwischen der Firma eines Unternehmens und dem vom Unternehmen verwendeten Zeichen ein gedanklicher Zusammenhang besteht.

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