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Verwertungsgesellschaftenpflicht verfassungsgemäß

OGH, Urteil vom 25.5.2004, 4 Ob 107/04w

UrhG § 45, § 59c

*****   Zusammenfassung   *****

Die beklagte Verwertungsgesellschaft nimmt die Urheberrechte an Sprachwerken wahr und hebt u.a. Bibliothekstantiemen und Reprographievergütungen ein. Vergütungsbeträge schüttet sie nur an jene Urheber aus, die mit ihr Wahrnehmungsverträge geschlossen haben, was die Kläger trotz Anbot verweigert haben.

Die Kläger begehren Rechnungslegung und Zahlung. Das Erstgericht wies die Klage ab., das Berufungsgericht bestätigte.

Der OGH weist den Antrag, den VfGH zwecks Aufhebung des § 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG als verfassungswidrig anzurufen, zurück und gibt der Revision nicht Folge. Ein derartiger Antrag sei nicht zulässig. Auch die Anregung sei nicht gerechtfertigt, weil diese Regelung im öffentlichen Interesse steht und einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und der Schulbuchverleger. Daneben hat die von der Verwertungsgesellschaft ausgehandelte und eingehobene Vergütung den Vorteil, dass der Urheber seine Ansprüche nicht selbst durchsetzen muss. Die in der Verwertungsgesellschaftenpflicht des § 45 Abs 3 letzter Satz UrhG liegende Beschränkung der Rechte des Urhebers wird damit den Anforderungen gerecht, die Eigentumsbeschränkungen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs erfüllen müssen.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. Stiftung Hundertwasser, *****, 2. Samy M*****, beide vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung, Zahlung und Feststellung (Gesamtstreitwert 23.567,01 EUR), infolge Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2004, GZ 1 R 8/04k-17, mit dem infolge Berufung der Kläger das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Oktober 2003, GZ 24 Cg 98/03z-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluss

gefasst:

Der Antrag der Beklagten, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, § 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 1.377,49 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 229,58 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Die Erstklägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin nach Friedensreich Hundertwasser. Dieser hat, ebenso wie der Zweitkläger, (auch) Sprachwerke geschaffen. Die Beklagte ist eine Verwertungsgesellschaft, die Urheberrechte an Sprachwerken wahrnimmt. Zwischen den Streitteilen bestehen keine Wahrnehmungsverträge. Die Beklagte hebt (ua) die Bibliothekstantieme ein. Dazu werden österreichweit rund 500.000 Entlehnungen ausgewertet. In der Folge wird ein Verteilungsplan erstellt, der vom Aufsichtsrat der Beklagten genehmigt werden muss. Im Verteilungsplan wird ein bestimmter Ausschüttungsbetrag je Autor und Werk ermittelt. Die Höhe der - ebenfalls von der Beklagten eingehobenen - Reprografievergütung ist in einem Gesamtvertrag festgelegt. Danach haben Importeure je Gerät einen bestimmten Betrag zu zahlen. Die Verteilung erfolgt aufgrund eines auf 600.000 Kopien basierenden Marktforschungsergebnisses.

Die Beklagte schüttet Vergütungsbeträge nur an jene Urheber aus, die mit ihr einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen haben. Auf die Werke anderer Autoren entfallende Beträge werden drei Jahre lang rückgestellt und fließen dann - wenn kein Wahrnehmungsvertrag zustande kommt - der allgemeinen Verteilung zu. In den Jahren 1995, 1996, 1998, 2000 und 2002 teilte die Beklagte dem Manager des Zweitklägers mit, dass ihre deutsche Schwestergesellschaft Vergütungsbeträge aus der öffentlichen Bibliothekstantieme überwiesen habe, die für die Veröffentlichung von Texten des Zweitklägers angefallen seien. Die Beklagte erklärte, die Beträge auszuzahlen, sollte der Zweitkläger mit ihr einen Wahrnehmungsvertrag abschließen. Der Zweitkläger antwortete, dass er eine Auszahlung der Vergütungsbeträge unabhängig vom Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags oder gegen Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags mit einem gegenüber den Standardverträgen der Beklagten eingeschränkteren Bereich wünsche.

Zu einer Korrespondenz ähnlichen Inhalts kam es auch zwischen der Beklagten und dem Manager Friedensreich Hundertwassers. Am 28. 10. 1999 teilte die Beklagte dem Manager mit, dass sie rund 6.500 Autoren betreue und dass es verwaltungstechnisch nicht möglich sei, einzelne Teile des Urheberrechts herauszunehmen und verschiedene Teilbereiche für 6.500 Autoren abzurechnen. Ihre Wahrnehmungsverträge umfassten die derzeit üblichen Sparten des Urheberrechts. Für die Autoren sei dies von Vorteil, weil sie Tantiemen aus allen Bereichen erhielten, in denen Tantiemen anfielen. Wären bestimmte Bereiche ausgenommen, so müssten die darauf entfallenden Beträge einbehalten werden. Die Beklagte versuche, verwaltungstechnisch so effizient wie möglich zu arbeiten; eine Einschränkung auf einzelne Bereiche würde einen enormen Mehraufwand auch für den einzelnen Urheber bedeuten. Mit Schreiben vom 4. 11. 1999 wurde der Beklagten der Wunsch Friedensreich Hundertwassers übermittelt, ausschließlich für den Bereich Schulbuch/Bundesrepublik Deutschland vertreten zu werden. Dieses Schreiben enthält den Passus: „Ich akzeptiere, was Sie sagen und nehme dies zur Kenntnis".

Mit Schreiben vom 18. 9. 2003 ersuchte die Beklagte ihre deutsche Schwestergesellschaft, sie zu ermächtigen, Vergütungsbeträge aus den Abrechnungen Schulbuch Deutschland 1999, 2000 und 2001 an die Kläger auszahlen zu dürfen. Gleichzeitig gab sie an, im Bereich Schulbuch Deutschland für die Erstklägerin 191,94 EUR und für den Zweitkläger 751,44 EUR erhalten zu haben. Nach Erhalt der mit Schreiben vom 19. 9. 2003 ausgesprochenen Ermächtigung zahlte die Beklagte insgesamt 943,38 EUR an den Klagevertreter.

Die Beklagte hat den Klägern den Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags angeboten, der auszugsweise wie folgt lauten sollte:

„(1) Ich ersuche um Aufnahme in die Staatlich genehmigte Literarische Verwertungsgesellschaft als Tantiemenbezugsberechtigter.
(2) Hiermit räume ich der LVG ausschließlich folgende Rechte und Vergütungsansprüche an allen nicht-dramatischen Sprachwerken, an denen mir solche Rechte zustehen, zur treuhändigen Wahrnehmung ein:
a) das Vortragsrecht, ausgenommen der Vortrag eigener Werke durch den Autor selbst;
b) das Senderecht, ausgenommen für Österreich;
c) das Vermietrecht, ausgenommen an Ton-, Bild- oder Bildtonträgern;
d) das Recht, Rundfunksendungen von nicht-dramatischen Sprachwerken einschließlich solcher über Satellit zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen zu benutzen (§ 59a UrhG);
e) den Vergütungsanspruch für das Verleihen von Werkstücken (auch dramatische Werke) nach § 16a UrhG, ausgenommen von Ton-, Bild- oder Bildtonträgern (Bibliothekstantieme);
f) jene Rechte, die durch eine künftige technische Entwicklung oder Änderung der Gesetzgebung entstehen und dem Urheber vorbehalten werden, sofern sie den in a) bis e) bezeichneten Rechten entsprechen.

§ 2 (1) Ich erkläre ferner, dass sich die Rechteeinräumung nach § 1 auf sämtliche Sprachwerke, die ich während der Dauer meiner Zugehörigkeit selbst schaffen werde oder an denen ich die Rechte erwerben werde, bezieht. Ich verpflichte mich, der LVG auf den von ihr ausgegebenen Formblättern ein vollständiges Verzeichnis dieser Werke zu übergeben und bei jedem Werk die Berechtigten (Autor und Verleger) wahrheitsgemäß anzugeben. Ferner verpflichte ich mich, dieses Verzeichnis jeweils fortlaufend zu ergänzen, und hafte für den Schaden, der sich aus Tantiemenabrechnungen ergibt, die auf unvollständigen oder unrichtigen Angaben im Werkeverzeichnis ergibt. (2) Der Übergang der eingeräumten Rechte erfolgt schon zum Zeitpunkt ihres Entstehens oder Erwerbes und ist an keine formellen Voraussetzungen gebunden. ...

§ 4 Dieser Wahrnehmungsvertrag kann von beiden Parteien mittels eingeschriebenen Briefes unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist jeweils zum Ende des Kalenderjahres gekündigt werden. ...

§ 6 Die Tantiemenabrechnungen erfolgen nach Maßgabe der vom Vorstand der LVG aufgestellten Verteilungsanordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung und nach Abzug der Verwaltungskosten. ..."

Bei der Beklagten sind für die Bereiche Schulbuch und Reprografievergütung Österreich, Bibliothekstantieme Österreich und Schulbuch Deutschland in den Jahren 1999 bis 2002 für die Erstklägerin 302,99 EUR an Vergütungsbeträgen und für den Zweitkläger 1.264,02 EUR an Vergütungsbeträgen angefallen. Die Beklagte war immer bereit, diese Beträge auszuzahlen, allerdings erst nach Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags. Der Abschluss von Wahrnehmungsverträgen mit einem eingeschränkteren Anwendungsbereich führt zu einer erheblichen Steigerung des Verwaltungsaufwands.

Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihnen binnen 14 Tagen über die Höhe der aus der Verwertung ihrer Texte oder von Teilen ihrer Texte in Sammlungen für den Schulgebrauch sowie aus anderen Rechtsgründen stammenden Tantiemen für den Zeitraum vom 1. 4. 1996 bis zum 31. 12. 1998 sowie laufend ab jeweiligem Einlangen von Geldbeträgen bei der Beklagten Rechnung zu legen; der Erstklägerin 302,99 EUR und dem Zweitkläger 1.264,02 EUR unter Berücksichtigung allfälliger inzwischen einlangender Beträge, insbesondere von 191,94 EUR für die Erstklägerin und von 751,44 EUR für den Zweitkläger, zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagte schuldig sei, künftig aus urheberrechtlichen Verwertungshandlungen bei ihr für die Kläger einlangende Beträge binnen 14 Tagen ab Einlangen an die Kläger auszuzahlen. Die Beklagte sei verpflichtet, Vergütungsbeträge unabhängig davon auszuzahlen, ob die jeweiligen Künstler ihre Mitglieder seien. Die Kläger seien nur zum Abschluss von Wahrnehmungsverträgen für den Bereich „Öffentliche Bibliothekstantieme/Deutschland" und „Schulbuch Deutschland" bereit. Die Beklagte missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung, wenn sie den Abschluss der von ihr angebotenen Wahrnehmungsverträge verlange. Die Kläger könnten die Tantiemen nicht selbst einfordern. Die Beklagte sei um die den Klägern zustehenden Tantiemen bereichert. Mit ihrer Weigerung, die Tantiemen auszuzahlen, begehe sie das Delikt der Veruntreuung bzw Untreue.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe nie im Namen der Kläger Verwertungserlöse kassiert, sondern diese nur davon informiert, welche Beträge auf sie entfallen würden, wären sie Bezugsberechtigte der Beklagten oder deren deutscher Schwestergesellschaft. Soweit mehr als drei Jahre zurück liegende Vergütungsbeträge gefordert würden, seien diese verjährt. Die Beklagte habe die Kläger immer wieder darüber informiert, welche Beträge bei Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags auf sie entfielen; sie habe die Klage daher nicht veranlasst. Aus der Rechtsprechung des EuGH lasse sich nicht ableiten, dass Verwertungsgesellschaften Nichtmitglieder gleich wie Mitglieder zu behandeln hätten. Es sei das Interesse der Verwertungsgesellschaften und ihrer Mitglieder zu berücksichtigen, die Rechte und Vergütungsansprüche möglichst einheitlich, kostensparend und übersichtlich wahrzunehmen. Die Kläger hätten den Standpunkt der Beklagten durch ihr Management anerkannt. Die Beklagte habe auch für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Korrespondenzweg bereits Rechnung gelegt und versucht, die Kläger zum Abschluss von Wahrnehmungsverträgen zu bewegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Soweit sich das Begehren der Kläger auf den Zeitraum vor dem 8. 5. 2000 beziehe, seien die Ansprüche verjährt. Die Beklagte sei nur bei Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags verpflichtet, auf Rechnung der Bezugsberechtigten Werknutzungsbewilligungen zu erteilen und Tantiemen zu kassieren. Zwar könnten Vergütungen im Bereich der freien Werknutzung nach § 45 Abs. 3 UrhG nur von Verwertungsgesellschaften eingehoben werden; mit ihrer Weigerung, andere als die von ihr angebotenen Wahrnehmungsverträge abzuschließen, missbrauche die Beklagte daher ihre marktbeherrschende Stellung nicht; sie werde dadurch auch nicht ungerechtfertigt bereichert. Nach der Rechtsprechung des EuGH missbrauche eine Verwertungsgesellschaft ihre marktbeherrschende Stellung, wenn sie ihren Mitgliedern Verpflichtungen auferlege, die für die Erreichung des Gesellschaftszwecks nicht unentbehrlich seien und die Freiheit des Mitglieds, sein Urheberrecht auszuüben, unbillig beeinträchtigten. Einschränkungen der Freiheit der Berechtigten, über ihre Rechte zu verfügen, seien gerechtfertigt, wenn sie für eine wirkungsvolle und effektive Wahrnehmung oder zur Erlangung einer starken Stellung gegenüber den mächtigen Nutzern notwendig seien. Nur wenn diese Beschränkungen über das Maß des Erforderlichen hinausgingen, sei das Interesse der Berechtigten höher als das der Verwertungsgesellschaft zu bewerten. Nach der Entscheidung „GEMA II" müsse der Wahrnehmungsvertrag dem Bezugsberechtigten nur die freie Wahl lassen, ob dieser die Rechte für Länder, in denen die Verwertungsgesellschaft nicht unmittelbar tätig ist, ganz oder teilweise dieser Verwertungsgesellschaft oder einer anderen Gesellschaft übertragen möchte, ob er in den Ländern, in denen die Verwertungsgesellschaft unmittelbar tätig ist, seine Rechte auf eine Verwertungsgesellschaft oder nach Sparten auf mehrere Verwertungsgesellschaften aufteilen möchte, und ob er der Verwertungsgesellschaft die Verwaltung einzelner Sparten nach ordnungsgemäßer Kündigung zum Ende eines Jahres entziehen möchte. In Anbetracht dessen, dass die Beklagte die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Rechte für Österreich exklusiv wahrnehme, könne ihr Verlangen auf Abschluss des von ihr angebotenen Wahrnehmungsvertrags nicht als Missbrauch marktbeherrschender Stellung angesehen werden. Die Wahrnehmungsverträge der Beklagten enthielten keine unangemessenen Bedingungen; es wäre den Klägern daher zuzumuten, Wahrnehmungsverträge abzuschließen. Das Schreiben des Managements der Kläger vom 4. 11. 1999 enthalte keinen Anspruchsverzicht. Die Beklagte sei nicht Treuhänderin der Kläger. Die Auszahlung von Vergütungsbeträgen sei eine freiwillige Leistung gewesen; ohne Abschluss von Wahrnehmungsverträgen stehe den Klägern kein derartiger Anspruch zu.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG bestünden keine Bedenken. Richtig sei, dass Eigentumsbeschränkungen und Eigentumsbelastungen nur zulässig seien, wenn sie vom Gesetzgeber im Interesse der Förderung des allgemeinen Wohls vorgesehen werden und nicht unverhältnismäßig sind. Die beanstandete Bestimmung diene dem Allgemeinwohl und sei sowohl verhältnismäßig als auch sachgerecht. Bis zur UrhGNov 1993 sei keine Schulbuchvergütung vorgesehen gewesen. Mit der Schulbuchvergütung seien die urheberrechtlichen Befugnisse erweitert worden; von einer Einschränkung des „urheberrechtlichen Eigentumsrechts" durch die Verwertungsgesellschaftenpflicht könne somit keine Rede sein. Die Verwertungsgesellschaftenpflicht liege im allgemeinen öffentlichen Interesse. Der Schulbuchverleger könne dadurch die Zahlungspflichten abschätzen und müsse nicht unzählige Einzelverhandlungen führen. Die Verwertungsgesellschaften seien nicht auf Gewinn gerichtet, sie unterlägen einer Kontrolle durch Staatskommissäre und seien im Interesse von Urhebern und Nutzern tätig. Dem einzelnen Urheber wäre es gar nicht möglich, die Aufnahme seiner Werke in Schulbücher zu kontrollieren. Mit ihrer Weigerung, Wahrnehmungsverträge abzuschließen, hätten die Kläger ein Mitwirkungsrecht bei der Beklagten abgelehnt. Eine Verwertungsgesellschaft habe ein ungleich größeres Verhandlungsgewicht als der einzelne Urheber. Ebenso wenig wie ein Gesetzprüfungsverfahren sei auch ein Vorabentscheidungsverfahren erforderlich. Durch § 45 UrhG werde keine „künstliche Barriere im Binnenmarkt geschaffen, die Inhaber von Urheberrechten dazu zwingt, ihren Sitz bzw ihre Niederlassung zu verlegen". Die Beklagte nehme nur Rechte ihrer Bezugsberechtigten wahr; sie habe daher für die Kläger keine Verwertungserlöse erzielt und habe daher auch nicht deren Geschäfte besorgt. Die Ansprüche gegen die Verwertungsgesellschaft verjährten gemäß § 90 Abs 2 UrhG in drei Jahren. Die vor dem Zeitpunkt der Klageeinbringung entstandenen Ansprüche (8. 5. 2000) seien daher jedenfalls verjährt. Die anderen Ansprüche stünden den Klägern mangels Abschlusses eines Wahrnehmungsvertrags mit der Beklagten nicht zu.

Rechtssatz

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Kläger ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Zu I)

Die Parteien eines Zivil- oder Strafverfahrens sind nach ständiger Rechtsprechung nicht befugt zu begehren, der Oberste Gerichtshof solle an den Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (8 ObA 253/95 = SZ 68/249; 10 ObS 261/95 = SZ 69/79 uva). Sie können einen Gesetzprüfungsantrag nur anregen. Der Antrag der Beklagten, die Aufhebung des § 45 Abs 3 letzter Satz UrhG als verfassungswidrig beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, war daher zurückzuweisen.

Zu II)

In der Sache selbst beschränken sich die Kläger darauf, die Verfassungswidrigkeit von § 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG (Verwertungsgesellschaftenpflicht) zu behaupten und anzuregen, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Weigerung einer Verwertungsgesellschaft, einem Autor eine Teilmitgliedschaft in einem speziellen Bereich der Verwertungsgesellschaft zu gewähren, ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist. Ihre Ausführungen überzeugen in keinem der beiden Punkte:

1. Zur Verfassungswidrigkeit

Die Kläger nehmen zuerst auf die Ausführungen des Berufungsgerichts Bezug, wonach der mit 1. 7. 2003 in Kraft getretene § 59c UrhG Schulbuchverlegern und Urhebern grundsätzlich die Möglichkeit gebe, die Bewilligungen individuell zu erteilen und das Entgelt auszuhandeln. Die Kläger meinen, aus der Bestimmung folge nur, dass der Urheber nicht mehr einen Verwertungsvertrag (gemeint: Wahrnehmungsvertrag) abschließen müsse; es bleibe aber, wie sich aus der unverändert gebliebenen Bestimmung des § 45 Abs 3 UrhG ergebe, dabei, dass die Rechtsdurchsetzung nicht vom Urheber selbst, sondern nur von der Verwertungsgesellschaft vorgenommen werden könne. Richtig ist, dass § 59c UrhG - zumindest seinem Wortlaut nach - für den Erwerb der Rechte aus der „Schulbuchfreiheit" im Sinne des § 45 Abs 1 und 2 UrhG für kommerzielle Zwecke einen Gesamtvertrag vorsieht, den nur die zuständige Verwertungsgesellschaft abschließen kann. § 59c UrhG verbessert aber jedenfalls insoweit die Rechtsstellung der Urheber, als die Verwertungsgesellschaften auch Nichtmitglieder als Bezugsberechtigte behandeln müssen, wenn sie mit kommerziellen Schulbuchverlegern einen Verwertungsvertrag abschließen.

§ 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG bestimmt, dass die für die Vervielfältigung und Verbreitung nach § 45 Abs 1 UrhG und für die Rundfunksendung nach § 45 Abs 2 UrhG (freie Werknutzung für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch bzw Schulgebrauch; „Schulbuchfreiheit") dem Urheber zustehende Anspruch auf angemessene Vergütung nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden kann. Die damit festgesetzte Verwertungsgesellschaftenpflicht stellt einerseits sicher, dass die Schulbuchverleger nur einen Ansprechpartner für die Vereinbarung der den Urhebern seit der UrhGNov 1993 zustehenden angemessenen Vergütung für die Nutzung von Werken im Rahmen der „Schulbuchfreiheit" haben; andererseits bietet sie die Gewähr dafür, dass die Autoren die Nutzung ihrer Werke abgegolten erhalten, ohne den Schulbuchmarkt ständig beobachten und allfällige Ansprüche verfolgen zu müssen. Die Verwertungsgesellschaftenpflicht dient damit dem Allgemeinwohl: Sie schafft im Dienste der Volksbildung einen Ausgleich zwischen den Interessen der Schulbuchverleger und Autoren, indem sie die Vergütung der im Rahmen der "Schulbuchfreiheit" genützten Werke sicherstellt, ohne die Schulbuchverleger damit zu belasten, mit jedem einzelnen Autor die Vergütung aushandeln zu müssen.

Es trifft daher nicht zu, dass, wie die Kläger meinen, die Verwertungsgesellschaftenpflicht nur die „privatrechtliche Kalkulation des privaten Schulbuchverlegers" schütze. Die Kläger verkennen damit, dass ein Angebot an - vor allem auch durch die Aufnahme geschützter Werke - hochwertigen Schulbüchern zu vertretbaren Preisen im allgemeinen Interesse liegt. Ebenso im allgemeinen Interesse liegt das mit dem Urheberrechtsschutz verfolgte Anliegen, die Existenz der geistig Schaffenden durch eine Beteiligung an der Nutzung ihrer Werke zu sichern (s 4 Ob 127/01g = MR 2001, 304 - Medienprofessor.at mwN). Auch soweit die Verwertungsgesellschaftenpflicht die Vergütung der Werknutzung sicherstellt, dient sie daher entgegen der Auffassung der Kläger nicht bloß privaten Interessen, sondern dem öffentlichen Interesse. Die - von den Klägern angesprochene - freie Entscheidung des Urhebers, ob und wie er seine Rechte ausüben will, wird durch die Verwertungsgesellschaftenpflicht nur insoweit berührt, als der Urheber die Vergütung nicht frei aushandeln und daher auch nicht eine im Einzelfall vielleicht mögliche höhere Vergütung erzielen kann. Nur insoweit könnte die von den Klägern beanstandete „Bevormundung der Urheber" daher vorliegen; die Entscheidung darüber, ob er die Vergütung in Anspruch nimmt oder ob er darauf verzichtet, bleibt dem Urheber trotz Verwertungsgesellschaftenpflicht vorbehalten. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Verhandlungsposition des Urhebers angesichts der „Schulbuchfreiheit" geschwächt ist. Davon abgesehen, steht der Beschränkung auf die von der Verwertungsgesellschaft ausgehandelte Vergütung der unbestreitbare Vorteil gegenüber, dass der Urheber seine Vergütungsansprüche nicht selbst durchsetzen muss. Es spricht viel dafür, dass die damit verbundenen Kosten weit höher wären als der Entgang an höheren Vergütungen, die der Autor möglicherweise dadurch erleidet, dass er die Vergütung nicht selbst aushandeln kann. Die in der Verwertungsgesellschaftenpflicht des § 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG liegende Beschränkung der Rechte des Urhebers wird damit den Anforderungen gerecht, die Eigentumsbeschränkungen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs erfüllen müssen. Nach der von den Klägern zitierten Entscheidung G 207/94 = VfSlg 14.535 muss eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegen, sie darf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen und sie darf nicht der im Sinne des Gleichheitssatzes erforderlichen sachlichen Rechtfertigung entbehren. Für die Verwertungsgesellschaftenpflicht trifft dies alles zu:

Sie liegt - wie oben dargelegt - im öffentlichen Interesse, sie ist nicht unverhältnismäßig, weil die damit verbundene Bindung an die von der Verwertungsgesellschaft vereinbarte Vergütung angesichts der schwachen Verhandlungsposition eines Urhebers, der kein Ausschließungsrecht hat, nicht schwer wiegt, und sie ist auch sachlich gerechtfertigt, weil sie einen Ausgleich zwischen den Interessen von Urhebern und Schulbuchverlegern schafft. Soweit die Kläger geltend machen, als Bezugsberechtigte an der Meinungsbildung der Beklagten nicht mitwirken zu können, sind sie darauf zu verweisen, dass die Vereinigung österreichischer Schriftsteller und Journalisten einer der Gesellschafter der Beklagten ist und dass sich der Aufsichtsrat der Beklagten aus acht Bezugsberechtigten zusammensetzt, von denen vier aus dem Kreis der literarischen Urheber und je zwei aus dem Kreis der Bühnen und Buchverleger zu bestellen sind (Gesellschaftsvertrag der Beklagten, abgedruckt in Dittrich, Österreichisches und internationales Urheberrecht³, 1316). Damit kann zwar nicht jeder einzelne Bezugsberechtigte seinen Einfluss in der Beklagten geltend machen; es ist aber sichergestellt, dass die Interessen der Bezugsberechtigten insgesamt berücksichtigt werden. Die Kläger machen schließlich noch geltend, dass die Beklagte Urheber in zweifacher Hinsicht enteigne. Einmal dadurch, dass sie die für Nichtmitglieder eingehobenen Beträge der allgemeinen Verteilung zuführe, und zum anderen dadurch, dass sie Ausschüttungen nur aufgrund eines vom Aufsichtsrat genehmigten Verteilungsplans und nicht in voller, ungekürzter Höhe vornehme. Beide Vorwürfe sind auf ein grundlegendes Missverständnis zurückzuführen: Aufgabe einer Verwertungsgesellschaft ist es, in organisierter Form die Ansprüche mehrerer Berechtigter kollektiv und treuhänderisch wahrzunehmen (s VwGH 91/01/0243 = MR 1996, 150 - Barfoot Beachers). Urheber müssen Verwertungsgesellschaften nicht beitreten, sie können ihre Rechte auch selbst verwerten (4 Ob 371/71 = ÖBl 1972, 102 - Schallplattenüberspielungen; VwGH 95/10/0048 = MR 1996, 152 - VDFS). Etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz - wie in § 45 Abs. 3 letzter Satz UrhG - vorsieht, dass Vergütungsansprüche nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden können. Auch in diesem Fall ändert dies aber nichts daran, dass die Verwertungsgesellschaften nur Ansprüche treuhändig wahrnehmen können, die ihnen durch einen Wahrnehmungsvertrag oder - wie zB nunmehr durch § 59c UrhG - durch das Gesetz übertragen sind. Soweit daher weder ein Wahrnehmungsvertrag besteht noch das Gesetz Nichtmitglieder den Bezugsberechtigten gleichstellt, hebt die Verwertungsgesellschaft keine Vergütungen für Nichtmitglieder ein. Sie kann diese daher auch nicht enteignen, wenn sie der allgemeinen Verteilung Teilbeträge der von ihr eingehobenen Pauschalvergütung zuführt, die nach den Verteilungsgrundsätzen für die Nutzung bestimmter Werke ausgeschüttet würden, wären deren Urheber Mitglieder und damit Bezugsberechtigte der Beklagten.

Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es auch „abstrakt" gesehen zu keiner Enteignung. Zwar ist es richtig, dass Ausschüttungen nur aufgrund eines vom Aufsichtsrat genehmigten Verteilungsplans gezahlt werden und nicht in „voller, unverkürzter Höhe". Dies kann jedoch schon deshalb einer Enteignung nicht gleichgesetzt werden, weil ein Bezugsberechtiger nur Anspruch auf den ihm nach dem Verteilungsplan zukommenden Betrag hat. Es fehlt auch regelmäßig an einer gerade für die Nutzung seines Werkes vereinbarten Vergütung, weil Verwertungsgesellschaften die Rechte der Urheber kollektiv in Gesamtverträgen und Satzungen (s §§ 6 ff; § 25 VerwGesG) wahrnehmen und daher in der Regel eine Pauschalvergütung vereinbaren.

2. Vorabentscheidungsersuchen

Die Kläger regen - wie bereits oben erwähnt - an, dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Weigerung einer Verwertungsgesellschaft, einem Autor eine Teilmitgliedschaft in einem speziellen Bereich der Verwertungsgesellschaft zu gewähren, ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass Verwertungsgesellschaften in einem Spannungsverhältnis zum Wettbewerbsrecht stünden. Das Europäische Parlament habe verlangt, dass die Verwertungsgesellschaften vergleichbare und kompatible Statuten und Praktiken haben. Gerade die Verweigerung einer Teilmitgliedschaft sei eine solche Praxis, die einem „Alles oder Nichts-Prinzip" folgend in die Rechte der Urheber eingreife. Wenn das Berufungsgericht sich zur Rechtfertigung auf den hohen Verwaltungsaufwand berufe, so sei dieser Auffassung nicht zu folgen.

Die Kläger erblicken den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte offenbar darin, dass die Beklagte sich weigert, Wahrnehmungsverträge abzuschließen, durch die ihr nur ein Teil der in ihren Standardwahrnehmungsverträgen genannten Rechte zur Wahrnehmung übertragen werden soll. Eine schlüssige Begründung dafür, warum darin ein Missbrauch marktbeherrschender Stellung liegen soll, ist dem Rechtsmittelvorbringen nicht zu entnehmen. Aus der Verweigerung einer „Teilmitgliedschaft" folgt jedenfalls nicht, dass die Statuten und Praktiken der Verwertungsgesellschaften nicht vergleichbar und kompatibel wären. Auf die in erster und zweiter Instanz zur Begründung ihrer Anregung, ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, vorgebrachten Gründe kommen die Kläger ebenso wenig zurück wie auf die Anspruchsgründe, auf die sie sich in erster Instanz berufen haben. Es genügt daher, insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revision musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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