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Redaktionsgeheimnis contra Auskunftspflicht

LG Salzburg, Beschluss vom 18.9.2003, 51 Rk 25/03f

ECG § 18, MedienG § 31

*****   Zusammenfassung   *****

Ein unbekannter Täter schrieb auf der Website der Online-Presse unter einem Pseudonym einen Leserbrief, in dem der Anzeiger E.P. verleumdet wurde. Der Untersuchungsrichter verlangte von der Medieninhaberin die Herausgabe der Userdaten, die diese verweigerte.

Die Ratskammer hob die Verfügung des Untersuchungsrichters auf. Zwar sei in diesem Fall ein Beschluss nach § 149a StPO nicht erforderlich, weil die Stammdaten im Unterschied zur IP-Adresse nicht dem Fernmeldegeheimnis unterlägen, das Redaktionsgeheimnisnach § 31 MedienG, das auch für Online-Medien gelte, verhindere aber eine Erzwingung der Herausgabe.
(rechtskräftig; das Verfahren wurde gem. § 412 StPO abgebrochen)

*****   Entscheidung   *****

Die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg hat durch LGVPräs. Dr. Hans Rathgeb als Vorsitzenden sowie Dr. Michael Schalwich (Berichterstatter) und Dr. Helmuth Marco Torpier in der Strafsache gegen unbekannte Täter (zum Nachteil E*** P***) wegen des Verdachtes der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB sowie der üblen Nachrede nach § 111 iVm § 117 StGB über die Beschwerde der d***.com Onlineservice GmbH & Co KG, vertreten durch RAe Dr. Denk & Dr. Kaufmann, 1010 Wien, vom 26.08.2003 gegen das Schreiben des Untersuchungsrichters vom 21.07.2003, AS 1a verso, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Die Beschwerde gegen das Schreiben des Untersuchungsrichters vom 21.07.2003 ist berechtigt und das angefochtene Schreiben gegenstandslos.

Begründung:

Beim Landesgericht Salzburg ist gegen einen bislang unbekannten Täter ein Verfahren wegen des Verdachtes der üblen Nachrede nach § 111 in Verbindung mit § 117 StGB sowie wegen des Verdachtes der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB zum Nachteil des E*** P*** anhängig (AZ hg 25 Ur 104/03t).

Nach der Eingabe des E*** P*** vom 21.03.2003 (ON 2) habe ein bislang unbekannter Täter an die Homepage der Firma "D***-Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG" am 30.01.2003 um 10.58 h unter dem Nik-Namen "Don Quojote" per e-mail einen Leserbrief übermittelt, der auf der Homepage veröffentlicht wurde. Nach dem Wortlaut dieses Leserbriefes sei der Verdacht des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 iVm § 117 StGB sowie des Verdachtes der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB gegeben, da er (E*** P***) einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigt werde, indem ihm - zusammengefasst - vorgeworfen werde, sich als Administrator *** (einer Schule) in Salzburg gemeinsam mit der Schulleiterin die Supplierstunden "zuzuschupfen" sowie, dass eigens für ihn - mangels darüber hinausgehender Qualifikation - ein eigenes Schulfach zur Erzielung eines zusätzlichen Einkommens eingeführt worden sei.

Die Identität des Leserbriefschreibers sei (noch) nicht bekannt, allerdings müsse man - nach den Angaben des Einschreiters E*** P*** - bevor man auf der Internetseite der Firma "D***-Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG" einen Leserbrief veröffentlichen könne, ein Online-Formular samt Namen, Adresse bzw. E-mail-Adresse ausfüllen, wobei diese Daten jedoch nicht auf der Internetseite veröffentlicht würden.

Mit 03.04.2003 fasste der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salzburg über Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg einen Beschluss, mit welchem die Firma "D***-Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG" gemäß § 18 Abs 2 ECG (unter Bejahung des Vorliegens sämtlicher dort angeführter Voraussetzungen) vom Datenschutz entbunden und zur Bekanntgabe sämtlicher Daten und Informationen bezüglich des Absenders des gegenständlichen Leserbriefes aufgefordert wurde (ON 3).

Gegen diesen Beschluss erhob "D***" Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG Beschwerde gemäß § 113 StPO (ON 4).
Mit Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg vom 15.05.2003 wurde der Beschwerde Folge gegeben und der Beschluss des Untersuchungsrichters vom 03.04.2003 ersatzlos aufgehoben (ON 6).

Am 19.05.2003 übersandte der Untersuchungsrichter samt Kopie des Beschlusses der Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg vom 15.05.2003 eine Note an das Landesgendarmeriekommando für Salzburg mit dem Ersuchen, von der Firma "d***.com Onlineservice GmbH", *** die Stammdaten des Leserbriefschreibers anzufordern, der am 30.01.2003, 10.58 (Uhr) unter dem Nik-Namen "Don Quojote" einen Leserbrief auf der Internetseite der genannten Firma (www.diepresse.at/etc.) veröffentlicht hat. Diese Firma sei zur Bekanntgabe dieser Daten verpflichtet und unterliege nicht dem Fernmeldegeheimnis. Vor Abgabe eines Leserbriefes sei es auch erforderlich, diese Daten online bekanntzugeben (AS 1a).
Offenbar am 27.06.2003 richtete das Landesgendarmeriekommando für Salzburg an die d***.com Onlineservice GmbH ein Schreiben mit dem Ersuchen, die Stammdaten des hier betroffenen Leserbriefschreibers bekannt zu geben.

Gegen dieses Vorgehen des Untersuchungsrichters und gegen das Schreiben des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg vom 27.06.2003 an die d***.com Onlineservice GmbH erhob Letztgenannte Beschwerde gemäß § 113 StPO (ON 8).
Die Beschwerde wurde mit Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg vom 01.08.2003 - soweit sie sich gegen das Vorgehen des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg richtete - als unzulässig zurückgewiesen und im Übrigen für berechtigt erkannt (ON 10).

Nunmehr übersandte der Untersuchungsrichter am 21.07.2003 erneut eine Note an das Landesgendarmeriekommando für Salzburg mit dem Ersuchen, von der Firma "d***.com Onlineservice GmbH & Co KG", *** die Stammdaten des Leserbriefschreibers anzufordern, der am 30.01.2003, 10.58 Uhr unter dem Nik-Namen "Don Quojote" einen Leserbrief auf der Internetseite der genannten Firma (www.diepresse.at/etc.) veröffentlicht hat. Diese Firma sei zur Bekanntgabe dieser Daten verpflichtet und unterliege nicht dem Fernmeldegeheimnis. Vor Abgabe eines Leserbriefes sei es auch erforderlich, diese Daten online bekanntzugeben (AS 1a verso).

Gegen dieses Vorgehen des Untersuchungsrichters richtet sich die Beschwerde der d***.com Onlineservice GmbH & Co KG an die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg (ON 13).

Die Beschwerde ist berechtigt.

Voranzustellen ist zunächst, dass die Bekanntgabe der "Stammdaten" (das sind Familienname, Vorname, akad. Grad, Adresse, Teilnehmernummer und Bonität) im Gegensatz zur "IP-Adresse", die ein Teilnehmeranschluss im Sinne des § 149a Abs 1 Z 3 StPO ist (vgl. RV 1166 BlgNR XXI. GP Seite 51), nicht dem Fernmeldegeheimnis unterliegt und damit für deren Herausgabe keine gerichtliche Anordnung nach den §§ 149a ff StPO erforderlich ist.
Auch wenn man sich der Ansicht der Beschwerdeführerin, auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt bzw. auf sie als reiner content Provider sei das TKG 1997 nicht anwendbar, anschließen würde, ändert dies nichts an der (grundsätzlichen) Herausgabepflicht nach § 143 Abs 2 StPO, die gegenüber jedermann statuiert ist und nach Ansicht der Ratskammer für sich gesehen eine gesetzlich vorgesehene Rechtsgrundlage zum Erlass eines mit Gründen versehenen Herausgabebefehls gegen die Beschwerdeführerin sein könnte, zumal § 18 Abs 5 ECG klarstellt, dass sonstige Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber den Gerichten unberührt bleiben.

Die Auskunftspflicht der Beschwerdeführerin ist im gegenständlichen Fall aber, weil es sich bei ihr um ein Medienunternehmen im Sinne des MedienG handelt, durch das Redaktionsgeheimnis des § 31 MedienG beschränkt. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes haben das Recht, in einem Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde als Zeuge die Beantwortung von Fragen zu verweigern, die die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen oder die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen betreffen (§ 31 Abs 1 MedienG). Das Redaktionsgeheimnis des § 31 MedienG gilt auch für elektronische Medien (vgl Brandstetter/Schmid, Kommentar zum Mediengesetz² § 31 Rz 2 und 7). Dieses besteht in erster Linie in dem Recht, die Zeugenaussage - auch im Strafverfahren - auf einschlägige Fragen sanktionsfrei zu verweigern. Fragen, die die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen sowie Unterlagen oder die im Hinblick auf die Tätigkeit als Medienmitarbeiter gemachten Mitteilungen betreffen, sind vom Redaktionsgeheimnis erfasst. Auch auf die Person des Leserbriefschreibers bezieht sich somit der Schutz des Redaktionsgeheimnisses (vgl Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz § 31 Rz 7; Brandstetter/Schmid, Kommentar zum Mediengesetz² § 31 Rz 10; Kunst/Böhm/Twaroch, Das neue Medienrecht, Anm 1 zu § 31 Abs 1). Daher ist ein Medienunternehmen auch berechtigt (Der Leserbriefschreiber selbst hat allerdings kein Recht auf Schutz des Redaktionsgeheimnisses - Brandstetter/Schmid, Kommentar zum Mediengesetz² § 31 Rz 5), Angaben über die Person eines Leserbriefschreibers zu verweigern. Die Befreiung von der Zeugnispflicht wird durch das allgemeine Umgehungsverbot des § 31 Abs 2 MedienG ergänzt. Ein gegen den Berechtigten selbst gerichteter Herausgabeauftrag und die Beschlagnahme von Unterlagen, aus denen die Person des Leserbriefverfassers rekonstruierbar ist, sind daher ebenso unzulässig (vgl Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz § 31 Rz 18 f mwN). Die Betreiberin der Homepage "www.diepresse.com" ist als Medieninhaberin zur Bekanntgabe der Identität des Leserbriefschreibers im gegenständlichen Verfahren gemäß § 31 Abs 1 iVm Abs 2 MedienG somit nicht (durchsetzbar) verpflichtet.

Die Einschränkung der Strafrechtseffizienz durch das Redaktionsgeheimnis als Ausfluss der in einem demokratischen Staatswesen als unverzichtbar anerkannten öffentlichen Aufgabe der Medien (vgl auch Art 10 EMRK) wird nämlich vom Rechtsstaat bewusst in Kauf genommen (so ist etwa ein Journalist auch nicht verpflichtet, jenen Beamten preiszugeben, der ihm unter Verletzung des Amtsgeheimnisses Informationen zukommen ließ - Brandstetter/Schmid, Kommentar zum Mediengesetz² § 31 Rz 11 mwN). Im vorliegenden Fall kann eben der Verfasser eines Artikels mit staatlichen Zwangsmitteln nicht ausgeforscht werden, sodass das (allenfalls) vorliegende strafbare Verhalten des Genannten ungesühnt bleiben kann (vgl Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz § 31 Rz 5 und 14). Zur Klarstellung sei aber nochmals angeführt, dass das Redaktionsgeheimnis keine Pflicht, sondern nur ein Recht zur Verschwiegenheit - und damit keinen Rechtsanspruch des Informanten - schafft (vgl Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz § 31 Rz 16), sodass sich ein Ersuchen um Mitteilung der vom Untersuchungsrichter bezeichneten Daten des Leserbriefschreibers (dennoch) als zulässige Vorgangsweise im Rahmen von gerichtlichen Vorerhebungen erweisen würde. Da aber das angefochtene Schreiben des Untersuchungsrichters von einer Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Herausgabe ausgeht, ist die Beschwerde (unabhängig vom weiteren Beschwerdevorbringen) berechtigt.

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