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Zuständigkeit bei eBay-Kauf

LG Feldkirch, Urteil vom 21.1.2008, 2 R 18/08z

EuGVVO Art 15, Art 16

*****   Zusammenfassung   *****

Der Kläger aus Vorarlberg kaufte über eBay von einem kleingewerblichen Anbieter aus Berlin eine Nähmaschine, wobei er unter einem Pseudonym auftrat und eine Lieferadresse in Deutschland angab. Aufgrund der Mangelhaftigkeit klagte er dann beim BG Dornbirn erbrachte Reparaturkosten ein.

Das Erstgericht wies die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurück.

Das LG gibt dem Rekurs des Klägers Folge und verwirft die Unzuständigkeitseinrede. Der Verbrauchergerichtsstand des Art 16 EuGVVO kommt auch einem Verbraucher mit Wohnsitz in Österreich zugute, der bei einer Onlineauktion über die Internetplattform eBay von einem Unternehmer mit Sitz in Deutschland eine bewegliche Sache ersteigert hat. Dabei schadet es nicht, dass der Verbraucher als Käufer unter einem nickname auftrat, eine Lieferanschrift unter einem Pseudonym in Deutschland angab, die Sache nach Deutschland geliefert wurde und die Zahlung von Deutschland aus erfolgte. Es kommt auch nicht darauf an, welche Vorstellung der Unternehmer über den Wohnsitz des Verbrauchers hatte, solange er nur seine gewerbliche Tätigkeit iSd Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO auch auf andere Mitgliedsstaaten ausrichtete und keinen die Person bzw den Wohnsitz des Vertragspartners einschränkenden disclaimer setzte.

*****   Entscheidung   *****

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie Dr. Müller und Dr. Flatz als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei S***** vertreten durch Dr. Oliver Tabarelli, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei D***** vertreten durch Kaufmann& Thurnher Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen EUR 246,-- sA (darin an Nebenforderung EUR 75,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 20. November 2007, 2 C 763/07 p-10, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er lautet:
"Die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Dornbirn wird verworfen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 122,88 (darin enthalten an USt EUR 20,48) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Mit der am 22.5.2007 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der in Dornbirn wohnhafte Kläger von dem in Berlin wohnhaften Beklagten aus dem Titel der Gewährleistung für erbrachte Reparaturarbeiten EUR 171,-- zuzüglich einer Nebenforderung von EUR 75,-- samt Zinsen. Die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes stützte der Kläger auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art 15, 16EuGVVO. Der Beklagte sei Kleinunternehmer und handle mit gebrauchten Waren. Er habe über das Internet-Forum eBay eine Nähmaschine angeboten und dabei den Käuferkreis nicht auf Deutschland eingeschränkt. Der Kläger habe die Nähmaschine ersteigert und somit gekauft. Dabei habe er eine Zustellanschrift in Lindau und einen Decknamen gegenüber dem Beklagten verwendet. Die Nähmaschine sei nach Lindau übersandt worden und der Kläger habe von seinem Konto bei einer deutschen Bank den Kaufpreis an den Beklagten überwiesen. Die Nähmaschine sei mangelhaft gewesen. Der Beklagte habe eine Behebung der Mängel verweigert, sodass der Kläger nunmehr den Verbesserungsaufwand gegenüber dem Beklagten geltend mache. Der Kläger habe seinen Wohnsitz in Dornbirn, weshalb ihm der Verbrauchergerichtsstand des Art 16 EuGVVO zugute komme.

Der Beklagte wendete die mangelnde internationale Zuständigkeit des Erstgerichtes ein. Der Kläger habe ein Pseudonym, nämlich Emanuel Peter F*****, mit einer Anschrift in Lindau (Deutschland) verwendet. Dies sei nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der eBay-Gruppe unzulässig. Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten zu erkennen gegeben, dass es sich beim Käufer um einen Deutschen mit Wohnsitz in Deutschland handle. Der Vertragsabschluss selbst sei in Deutschland mit zwei deutschen Vertragspartnern erfolgt. Auch die Lieferung sowie die Geldüberweisung seien innerhalb von Deutschland vorgenommen worden. Deshalb liege ein Inlandssachverhalt ohne Anknüpfungspunkte in Österreich vor, sodass der Verbrauchergerichtsstand nach Art 15, 16 EuGVVO nicht zum Tragen komme. Zudem übe der Beklagte keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit aus. Vielmehr sei der Vertrag zwischen zwei Privatleuten abgeschlossen worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Dornbirn zurück und verpflichtete den Kläger zum Ersatz der mit EUR 342,33 antragsgemäß bestimmten Prozesskosten an den Beklagten. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Der Kläger tritt unter der Bezeichnung „A*****" sowohl als Käufer als auch als Verkäufer auf der Internetplattform eBay auf. Über diesen Nick-Name „A*****" existiert im Internetforum eBay eine allgemein zugängliche, die jeweilige Person beschreibende sog „Mich-Seite", dessen Inhalt wie in Beilage ./2 ersichtlich einen integrierenden Bestandteil der Feststellungen bildet. Über die „Mich-Seite" des Klägers betreffend seinen Nick-Name „A*****" ist es möglich, über einen Link zu einer weiteren Internetseite zu gelangen, wo die vermeintlich hinter diesem Nick-Name stehende Person beschrieben werden soll. Dabei wird auf die Beilage ./II verwiesen.

Der Kläger ersteigerte unter seinem Nick-Name „A*****" eine vom Beklagten über eBay offerierte Nähmaschine „Pfaff 260" um den Preis von EUR 299,-- zu Privatzwecken. Der Kläger bot erst wenige Sekunden vor Auktionsende mit und bekam auch den Zuschlag dafür. Die Auktion der Nähmaschine erfolgte durch den Beklagten ohne Beschränkung auf einen gewissen Käuferkreis oder regionale Beschränkungen. Nach Auktionsende versandte der Kläger die auf Beilage ./B aufscheinenden Informationen, die er nach dem Zuschlag erhalten hatte, an den Beklagten, wodurch dieser erstmals nähere Informationen über den Meistbietenden erhielt. Bis zu diesem Zeitpunkt war für den Beklagten bestenfalls ersichtlich, dass „A*****" den Artikel ersteigert hatte. In Beilage ./B ersuchte der Meistbietende den Verkäufer, den Artikel an die Adresse „Emanuel Peter F*****88131 Lindau am Bodensee Deutschland" zu schicken.

Nachdem der Kläger den Auktionspreis an den Beklagten von einem deutschen Bankinstitut aus überwiesen hatte, versandte der Beklagte die Nähmaschine an die vom Kläger angegebene Adresse und an die dort bezeichnete Person in Lindau. Dort nahm der Kläger das gekaufte Objekt auch entgegen.

Sonstige Kontakte gab es zwischen den Parteien bis zur Ablieferung der Nähmaschine nicht. Erst geraume Zeit nach der Lieferung gelangte dem Beklagten die Person des Klägers erstmals zur Kenntnis. Der Beklagte ist im Internetforum eBay als Kleingewerbetreibender tätig und vertreibt unter anderem gebrauchte bzw neuwertige Nähmaschinen. Gerade im Rahmen der Tätigkeit des Beklagten als Kleingewerbetreibender kam es zum gegenständlichen geschäftlichen Kontakt zum Kläger.

Ausgehend von diesen Feststellungen kam das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, der Kläger habe sich gegenüber dem Beklagten unter einem Pseudonym mit Wohnsitz in Lindau als Vertragspartner deklariert und auf diese Weise die Nähmaschine auch erworben. Der Beklagte habe berechtigterweise auf diese Angaben vertrauen dürfen. Er habe keinen ausreichenden Hinweis auf die Person des nunmehrigen Klägers erhalten. Deshalb habe der Beklagte auch davon ausgehen dürfen, dass eine Person mit Wohnsitz in Deutschland sein Vertragspartner sei. Somit liege ein reiner Binnensachverhalt vor, was dazu führe, dass der Verbrauchergerichtsstand des Art 16 EuGVVO nicht heranzuziehen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung als nichtig aufzuheben und das Verfahren für nichtig zu erklären, in eventu den Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen, hilfsweise die Entscheidung abzuändern, „dass die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Dornbirn hergestellt werde", und schließlich in eventu eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Der Beklagte hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtssatz

Der Rekurs ist im Sinne des hilfsweise gestellten Abänderungsantrags berechtigt.

Der Kläger vertritt zusammengefasst den Standpunkt, der Verbrauchergerichtsstand nach der EuGVVO sei gegeben. Der Beklagte habe bei seinem Angebot auf der Internetplattform eBay keine örtliche oder personelle Einschränkung des Bieterkreises gemacht. Er habe lediglich festgelegt, dass er die gekaufte Ware ausschließlich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder nach Australien (richtig: Austria) versenden werde. Der Beklagte habe als Unternehmer gehandelt. Der Kläger habe unter dem bei eBay Deutschland hinterlegten Pseudonym „Emanuel Peter F*****" mit dem Nick-Name „A*****" mit dem Beklagten einen Kaufvertrag abgeschlossen. Der Kläger habe den Kaufgegenstand zu privaten Zwecken erworben und das Kaufanbot über seine technischen Einrichtungen im Inland abgegeben. Bei einer Internetauktion seien die potenziellen Käufer (Bieter, Kaufinteressenten) dem Verkäufer solange nicht bekannt, als diese nicht zumindest ein Preisgebot abgegeben hätten. Bei der Abgabe des Preisgebotes sei der Nick-Name (Pseudonym) des jeweiligen Bieters öffentlich auf der Plattform sichtbar, nicht hingegen dessen bürgerlicher Name oder ein von ihm verwendetes Pseudonym. Erst über die technischen Einrichtungen der eBay-Plattformen seien Käufer oder Verkäufer in der Lage, die bei eBay hinterlegte Identität des Bietenden zu erforschen. Der Kläger habe das Kaufangebot am 12.3.2007 mittels der „Sofort-Kaufen-Funktion" angenommen und den Kaufgegenstand zum Ausrufungspreis von EUR 249,-- zuzüglich EUR 50,-- an Versandkosten erworben. Kurz danach habe der Verkäufer vom Computersystem automatisiert ein E-Mail erhalten, in dem ihm der Nick-Name „A*****" des Käufers, die Lieferadresse sowie der verkaufte Gegenstand und der erzielte Preis mitgeteilt worden seien. Dem Käufer wiederum seien vom Computersystem die Daten des Verkäufers und die Kontoverbindung per E-Mail mitgeteilt worden. Erst nachdem der Kaufgegenstand dem Kläger als Käufer zugeschlagen worden sei, habe der Beklagte als Verkäufer überhaupt vom Verkauf des Artikels und von der Existenz eines Käufers erfahren können. Der Abschluss des Kaufvertrages sei hinsichtlich des Käufers anonym erfolgt. Dem Verkäufer stünden grundsätzlich technische und vertragliche Möglichkeiten zur Verfügung, wenn er den Kaufvertrag nicht anonym abschließen wolle. Dies habe der Beklagte aber nicht in Anspruch genommen. Um die Mängelrüge gesetzeskonform erheben zu können, habe der Kläger die zuständige Streitschlichtungsstelle bei eBay anrufen müssen, um die Daten des Beklagten erlangen zu können. Der Name und die Anschrift in Lindau seien ausschließlich als Lieferadresse genutzt und verwendet worden. Gegenüber dem Beklagten sei der Kläger bis zum Abschluss des Kaufvertrages ausschließlich mit dem bei eBay hinterlegten Nick-Name „A*****" samt einem Linkverweis aufgetreten. Die Mängelrüge sei dann unter Verwendung des bürgerlichen Namens des Klägers und seiner Anschrift in Österreich vorgenommen worden. Nach Art 15, 16 EuGVVO komme es nur auf den Wohnsitz des Klägers als Verbraucher und auf das Vorliegen eines Verbrauchergeschäftes sowie den Kauf einer beweglichen Sache an. Der Beklagte habe bezüglich des Käuferkreises keine Einschränkungen gemacht, sodass er bewusst den Verbrauchergerichtsstand auch in einem anderen Mitgliedstaat in seine Überlegungen aufgenommen habe. Auf ein bestimmtes Vertrauen des Beklagten in Bezug auf den Kläger als Käufer komme es nicht an. Das Wesen des Fernabsatzvertrages sei es gerade, dass sich die Vertragspartner zuvor nicht kennen würden und diese auch nach Vertragsabschluss keine Wahlmöglichkeiten mehr hätten, den Vertrag zu genehmigen oder anzufechten, wenn sie nicht bereits zuvor entsprechende Einwendungen und Bedingungen für den Vertragsabschluss getätigt hätten.

Diesen Ausführungen hielt der Beklagte in seiner Rekursbeantwortung entgegen, das eBay-Mitglied „A*****" habe vom Beklagten eine gebrauchte Nähmaschine um EUR 299,-- ersteigert und somit mit dem Beklagten einen Kaufvertrag abgeschlossen. Nach Erteilung des Zuschlags habe dieses eBay-Mitglied „A*****" an den Beklagten nähere Informationen über die hinter dem Pseudonym „A*****" stehende natürliche Person versandt. In diesem E-Mail sei das eBay-Mitglied „A*****" unter der natürlichen Person „Emanuel Peter F*****" mit Wohnsitz in Lindau aufgetreten. Die Daten der natürlichen Person des Klägers, wohnhaft in Österreich, seien dem Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nie bekannt gegeben worden. Dieses rechtsmissbräuchliche Verhalten des Klägers dürfe nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Es könne nicht angehen, dass der Kläger unter falschem Namen vorgebe, in Deutschland wohnhaft zu sein, und dass nach Vertragsschluss hervorkomme, dass er eine völlig andere Person in Österreich sei. Dies sei für den Beklagten nicht vorhersehbar gewesen, sodass sich der Kläger nun nicht auf seine „wahre Identität" berufen könne. Deshalb liege ein Binnensachverhalt in Deutschland vor, weshalb die EuGVVO überhaupt nicht anzuwenden sei. Nach der EuGH-Rechtsprechung sei auch der objektive Erklärungswert von Willensäußerungen relevant. Danach sei aus der Sicht des Beklagten eine in Deutschland wohnhafte Person ihr Vertragspartner gewesen. Der Erfüllungsort sei gleichfalls in Deutschland gelegen, sodass keine Anknüpfungspunkte nach Österreich bestehen würden. Inzwischen habe der Kläger seine „Mich-Seite" geändert, offensichtlich auch im Bewusstsein, dass ansonsten lediglich die Person „Emanuel Peter F*****" Vertragspartner werde.

Dem letzten Einwand des Beklagten in seiner Rekursbeantwortung ist vorab zu entgegnen, dass das Erstgericht den Inhalt der Beilage ./2 zum integrierenden Bestandteil seiner Feststellungen gemacht hat. Beilage ./2 wurde dem erstinstanzlichen Beschluss angeheftet. Darin steht unter anderem Folgendes:

„Im Internet findet ihr mich unter A*****. Die angegebene Adresse und der angegebene Name sind die Liefer- bzw. Absendeadresse! Es handelt sich dabei nicht um den Vertragspartner, mit dem kontrahiert wird. Aus Sicherheitsgründen und weil ich keine unnötige Werbung brauche, werden diese Daten nicht in einer offenen Plattform bekanntgegeben und sind auch für Suchrobots nicht zugänglich. Die natürliche Person, die hinter dieser Lieferadresse steht, könnt ihr hier kennenlernen."

Wenn der Beklagte nunmehr in seiner Rekursbeantwortung auf die „Mich-Seite" Beilage ./3 verweist, wo letztgenannter Zusatz fehlt, handelt es sich dabei einerseits um die Anfechtung von Feststellungen, was aber im Hinblick auf die unmittelbare Beweisaufnahme nicht zulässig ist. Andererseits hat der Beklagte in erster Instanz nie behauptet, der Beklagte habe die „Mich-Seite" Beilage ./3 im Nachhinein auf den Inhalt der Beilage ./2 verändert. Insoweit handelt es sich um unzulässige Neuerungen. Im Übrigen würde es rechtlich nicht zu einem anderen Ergebnis führen, wäre der Inhalt der „Mich-Seite" des Klägers wie in Beilage ./3 beschrieben festgestellt worden.

Bei Internetauktionen werden im Wesentlichen drei Geschäftsmodelle unterschieden (Wessely, Internetauktionen - Steiger' dich rein! MR 2000, 266 f; Nußbaumer/Rauch in Plöckinger/Duursma/Mayrhofer, Internet-Recht 76):

Der Seitenanbieter stellt eine Plattform („Marktplatz") zur Verfügung, die von gewerblichen und/oder privaten Einlieferern genutzt wird. Der Seitenanbieter versteigert selbst Produkte.

Der Seitenanbieter lädt zur Bildung von Einkaufsgemeinschaften ein: je mehr Käufer sich finden, desto mehr sinkt der Preis nach vorgegebenen Preisstufen („Powershopping").

Im Anlassfall liegt die klassische Form einer Online-Auktion zugrunde, bei der der Seitenanbieter eBay Dritten eine Plattform für den Abschluss und die Abwicklung von Rechtsgeschäften zur Verfügung stellt. Der Einlieferer lässt sich registrieren und gibt über eine Bildschirmmaske Daten zum Auktionsgegenstand (Beschreibung, Mindestgebot uä) ein. Diese Eingabe führt gewöhnlich zum Beginn der Auktion. Jeder (zuvor registrierte) Kaufinteressent kann mit Benutzername und Passwort bis zum Auktionsende Gebote abgeben. Der Höchstbieter erhält den Zuschlag mit Zeitablauf. In der Folge wickeln Käufer und Verkäufer das Rechtsgeschäft direkt ab (Wessely aaO; 4 Ob 135/07 t).

Weist die Internet-Versteigerung einen Auslandsbezug auf, stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Recht. Verkauft der Seitenanbieter keine eigenen Sachen, sondern stellt er - wie hier - nur eine Plattform für Dritte zur Verfügung, kommt es nicht auf die Niederlassung des Seitenanbieters (vgl § 20 ECG) an, sondern der Kaufvertrag zwischen Einlieferer und Ersteigerer ist mangels Rechtswahl primär nach dem UN-Kaufrecht, sonst nach dem EVÜ zu beurteilen, wobei die einzelnen Anwendungsvoraussetzungen noch zu prüfen sind (Nußbaumer/Rauch aaO 77f; RIS-Justiz RS0122376).

Willenserklärungen können auch online wirksam abgegeben werden. Indem der Einlieferer (hier: der Beklagte) die Angebotsseite für die Versteigerung einrichtet und die Auktion startet, macht er ein verbindliches Verkaufsangebot, das sich an den richtet, der innerhalb der Laufzeit der Auktion das höchste Gebot abgibt. Dieses Angebot nimmt daher derjenige an, der innerhalb der Laufzeit der Auktion das Höchstgebot machte (NJW 2002, 363; NJW 2005, 53; Herting/Golz, Rechtsfragen des eBay-Handels, ITRB 2005, 137; zustimmend für die österreichische Rechtslage Gurmann, Internet-Auktionen 80). Zwischen Einlieferer und erfolgreichem Bieter kommt ein Kaufvertrag zustande. Die wesentlichen Vertragspunkte ergeben sich aus dem höchsten Gebot und der Artikelbeschreibung (Wessely, NR 2000, 269; Peck, Die Internet-Versteigerung, 106, 112; 4 Ob 135/07 t). Ein solcher Kaufvertrag ist kein Glücksvertrag (RIS-Justiz RS0122375).

Im Hinblick darauf, dass durch die Abgabe des Höchstgebots das vom Einlieferer eingerichtete Angebot angenommen und bereits dadurch der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist, hat der Einlieferer (Verkäufer) bei einer Internetauktion wie bei eBay keine Kenntnis von der wahren Identität seines Vertragspartners. Um einem Einlieferer die Möglichkeit zu geben, den Kreis seiner potenziellen Vertragspartner abzugrenzen bzw kalkulierbarer zu halten, kann er durch ausdrückliche Marktbeschränkungen (sog disclaimer) auf seiner Website klar erkennbar darlegen, welche Marktausrichtung er anstrebt. Unterlässt er dies, muss er damit rechnen, dass er mehrere nationale Rechtsordnungen zu beachten haben wird bzw dass er allenfalls Verbrauchergerichtsstände in mehreren Mitgliedstaaten gegen sich gelten lassen muss (Roth, Internationales Vertrags- und Wettbewerbsrecht bei Internetsachverhalten in Gruber/Mader, Privatrechtsfragen des e-commerce 273; Mayr/Czernich, Europäisches Zivilprozessrecht Rz 194; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht Art 15 EuGVVO Rz 24; Brenn, Europäischer Zivilprozess Rz 103).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte als Einlieferer laut Beilage ./A bezüglich seines Vertragspartners die Einschränkung gemacht, dass der angebotene Artikel nur nach Deutschland und Australien (richtig wohl: Austria) versendet wird. Weitere Einschränkungen in Bezug auf die Person des Käufers und insb auf seinen Wohnsitz finden sich hingegen nicht. Deshalb ist die Tätigkeit des unstrittig als Unternehmer einzustufenden Beklagten auch auf Österreich, also den Wohnsitzstaat des Klägers, ausgerichtet gewesen, sodass er auch mit einem Käufer mit Sitz außerhalb von Deutschland rechnen musste, obwohl ihm die konkrete Person im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbekannt war. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in der Mitteilung des Käufers an den Beklagten laut Beilage ./B als Lieferadresse ein Pseudonym in Lindau bekannt gegeben wurde. Dass der Kläger entsprechend den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-Websites verpflichtet gewesen wäre, seine wahre Identität bereits vor Vertragsabschluss oder anlässlich der Mitteilung des Lieferortes offenzulegen, wird vom Beklagten in seiner Rekursbeantwortung wohl behauptet, aber nicht näher unter Bezugnahme auf bestimmte Punkte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen begründet. Zudem hat er dazu in ersten Instanz nichts vorgetragen, was aber im Hinblick auf das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot erforderlich gewesen wäre.

Die Verbrauchereigenschaft ist im Bereich des Europäischen Zivilprozessrechts „vertypt". Es kommt somit nicht darauf an, ob der Verbraucher tatsächlich schutzwürdig ist oder nicht. Daher kann sich auch ein vermögender Verbraucher auf die Verbraucherschutzbestimmungen berufen. Andererseits kommen sie einem -zuständigkeitsrechtlich durchaus schutzwürdigen - Kleingewerbe- treibenden nicht zugute (Mayr/Czernich aaO Rz 186). Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO bestimmt, dass ein Verbrauchervertrag (auch) dann vorliegt, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers (Unternehmer) eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausübt oder seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet. Eine „Ausrichtung" der Tätigkeit ist dann gegeben, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers direkt mittels Fernkommunikationsmittel von seinem Sitz aus im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers tätig wird. Irrelevant ist es, wo der Vertrag abgeschlossen wird (Mayr/Czernich aaO Rz 194; Pichlmair, Vertragsrecht im Internet 97; Roth aaO 270 f; Lehmann, Electronic Business in Europa 520; Kropholler aaO Rz23). Somit ist es nicht erforderlich, dass der Verbraucher seine Rechtshandlung in seinem Wohnsitzstaat vorgenommen hat. Deshalb kommt es im gegenständlichen Fall auch nicht darauf an, dass ein bestimmtes Vertrauen des Verkäufers in Bezug auf den Wohnsitz des Käufers zu schützen wäre, ungeachtet dessen, dass die EuGH-Rechtsprechung der Anwendung der Vertrauenstheorie an anderer Stelle nicht entgegentritt. Das Zuständigkeitsrecht ist grundsätzlich objektiv ausgerichtet und stellt auf subjektive Befindlichkeiten der Beteiligten nur sehr beschränkt ab - vor allem in Form von Zuständigkeitsvereinbarungen, die aber ihrerseits stark formalisiert sind. Eine gewisse Grenze besteht allenfalls bei regelrechtem Missbrauch der Zuständigkeitsbestimmungen, etwa bei einer bewussten Täuschung des Vertragspartners, was hier aber nicht hervorgekommen ist.

Dass es beim Verbrauchergerichtsstand des Art 16 EuGVVO nur auf den Wohnsitz des Verbrauchers ankommt, zeigt sich auch dadurch, dass der Verbraucher, wenn er nach Abschluss des der späteren Klage zugrunde liegenden Geschäfts in einen anderen Staat der Gemeinschaft verzieht, vor dem Gericht seines neuen Wohnsitzes klagen und vor den Gerichten seines neuen Wohnsitzstaates verklagt werden kann (Kropholler aaO Art 16 EuGVVO Rz 2 mwN; Hüßtege in Thomas/Putzo²7 Art 16 Rz 6; Klauser/Kodek, ZPO16 Art 16 EuGVVO Anm 4).

Das Rekursgericht tritt daher den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Klägers in seinem Rechtsmittel bei, sodass dem Rekurs im Sinne des hilfsweise gestellten Abänderungsantrags Folge zu geben ist. Nicht nachvollziehbar ist allerdings der primär gestellte Aufhebungsantrag wegen Nichtigkeit, zumal eine amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit nicht zu erblicken ist und der Rekurswerber auch keinen konkreten Nichtigkeitsgrund anführt.

Die Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung kann iSd „acte clair"-Doktrin unterbleiben, weil die richtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (RIS-Justiz RS0082949). Der Kostenspruch stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Zur Frage der internationalen Zuständigkeit liegt im Hinblick auf die beklagterseits erhobene Einrede ein Zwischenstreit vor (RIS-Justiz RS0036009, RW0000177), sodass der unterlegene Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Rekurskosten zu ersetzen. Die Rekurskosten wurden allerdings überhöht angesetzt. Gemäß § 4 RATG iVm § 54 Abs 2 JN richtet sich die Bemessungsgrundlage für die Kosten nach dem Wert der Hauptforderung. Nebengebühren bleiben dabei unberücksichtigt, wenn sie nicht selbständig geltend gemacht werden. Deshalb sind die Rekurskosten auf Basis der Hauptforderung von EUR 171,-- zu berechnen. Dies ergibt einen Betrag von EUR 122,88. In erster Instanz hat der Kläger keine Kosten verzeichnet. Die im Rekurs erwähnten Barauslagen von EUR 37,-- betreffen die Pauschalgebühr für die Klage und sind daher nicht vom Zwischenstreit betroffen. Für den Rekurs ist keine Pauschalgebühr angefallen.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, weil der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,-- nicht übersteigt.  

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